INHALTSVERZEICHNIS
EIN HANDBUCH FÜR
DEN GEBRAUCH DES PRIVATEN REISEWAGENS IM EUROPA
UND IM AMERIKA DES 18. JAHRHUNDERTS.
VON P A B L O G Ü N T H E R .
Vorwort von GILLIAN REES. * * * * * * * *
Lister Chaise
1755 bis heuteGiacomo Casanova
geb. 2. April 1725 in Venedig
gest. 4. Juni 1798 in Dux / Böhmen
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Robert Goodwin, Taynton Casanovist
Gillian Rees, Eastbourne Casanovistin
Rosalind Westwood, Halifax WagenmuseumMarco Leeflang, Utrecht Casanovist Gérard Cazobon, Compiègne Wagenmuseum
Marie-Francoise Luna, Grenoble CasanovistinHelmut Watzlawick, Vernier / Genf Casanovist Dr. Georg J. Kugler, KHM, Wien Wagenburg Schönbrunn
Annunziata von Lutterotti-Diebler & Wolfgang Diebler, WienBarbara Evers-Rothgangel, Vimercate Casanovistin
Furio Luccichenti, Rom Casanovist
Stefania & Giorgio Ricci Luppis, Pasiano di PordenoneRichard C. V. Nicoll, Williamsburg Wagenmuseum Bernd Eggersglüß, Hirschhorn / Neckar
Horst Hoof, Wiehl Wagenmuseum
Wolfgang Katzensteiner, Regensburg Wagenmuseum
Dr. Rudolf H. Wackernagel, München Wagenforscher
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Zum Autor: Ich wurde 1943 in Berlin geboren, meine Familie zog aber schon bald nach Heidelberg. An der dortigen Uni Studium der Germanistik, Romanistik und Linguistik. Vom 13. bis zum 53. Lebensjahr (mit Pausen) Reiter, jahrelange eigene Pferdehaltung, Wander-, Western- und Distanzreiten (Foto). 32 Jahre (mit Pausen) gejobbt als Taxifahrer. 1965 erstes eigenes Auto, das jetzige (zwanzigste) ist ein Youngtimer Bj. 1979. - 1990 Beginn casanovistisches, wagen- und reisehistorisches Studium. 1995 erste Ausgabe der "Casanova Tour" mittels eines Heidelberger Copyshops. 1996 Mitwirkung bei dem niederländischen TV- Film "Come Casanova come" (Foto). - Seit 1998 wohnhaft im Landkreis Lindau/Bodensee, zunächst im Elternhaus bei meiner Mutter bis zu deren Tod 2003. - 1998 Erwerb und Restaurierung (Foto) eines einmalig seltenen "Scheunenfunds": eine original erhaltene Kalesche von ca. 1795; das einzige Pendant zu Goethes Reisewagen in Weimar. - 2000 - 2008 "Casanova Tour" online, und jetzt wieder seit 2.6.17. --- (Ich möchte mit den Hinweisen auf meine Pferde und Kutschen etc. den auch ganz praktischen Bezug zum vorliegenden Thema betonen. - Wer sich für meine eigenen 20 Autos, verbunden mit einer kleinen Geschichte der Automobilisierung in Deutschland, interessiert, kann sich diese hier unter /autos.htm ansehen. PG. 7.7.2017).
Geschichte meines Lebens / History of my life. Work in progress since Nov. 24, 2020.
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(Teil I )INHALTSVERZEICHNIS
Vorworte. - Zu diesem Handbuch.
"Ein hilfreiches Gewitter".
POST, ALPENPÄSSE, SCHIFFE:
Casanova und das Reisen im Jahrhundert der "Grand Tour".
Einleitung.
Casanovas Reisemethoden.
Liste von Casanovas Reisen (Reise-Lebenslauf).
Reisearten, von Thomas Nugent.
(Teil II )
Die Post: Nationale Besonderheiten: Schweiz, Deutschland, Italien.
Französisches Postreglement.
Kosten: 6000 Postpferde. Postpferde. Postkutschen. Fuhrmänner.
Mietwagen. Cambiatura. "Taxis". Wagenkauf.
Reiche und arme Privatwagenfahrer.
Geschwindigkeiten. Strassen. Alpenpässe. Der Mont Cenis.
Schiffe.
(Teil III )
REISEWAGEN.
Von Casanova erwähnte Wagen.
Wagen in Virginia und England.
Bemerkungen zum Goodwin-Report.
Zweirädrige Wagen.
Chair, Chaise, Kalesche.
(Teil IV )
Vierrädrige Wagen.
Früher offener Reisewagen.
Chaise, Kalesche, Phaeton.
Karosse, Karossen-Coupé.
Landauer.
Berline, Berlinen-Coupé, -Kalesche, -Phaeton, -Chaise.
Englische Coach, Englisches Coupé.
Deutscher Reisewagen.
Postwagen und Postkutschen.
Stahlfedern.
(Teil V )
Das Englische Coupé oder Post Chariot.
Von Casanova bis Napoléon I.
Transport zerlegter Reisewagen.
Napoleons Waterloo - Post-Chaise.
Geschichte des Englischen Coupés im 18. Jahrhundert.
(Teil VI )
Casanovas Wagen.
Liste der Wagen.
I. Seine Reisewagen zwischen 1749 und 1772.
Wagen 1. - 7.
(Teil VII )
Wagen 8. - 14.
II. Seine Wagen in Paris.
(Teil VIII )
III. Seine Reisewagen 15. - 17., ab 1773. - Korrespondenz beim Gebrauchtwagenkauf. -
Die "Post der Casanovas" in Emskirchen.
(Teil IX )
POSTSTRASSEN.
Statistiken. - Legende.
Casanovas Reisewege (in Englisch).
1.) Die Seereisen.
(Teil X )
2.) London - Neapel.
(Teil XI )
3.) Wien - Venedig. Casanovas Post-Memorandum. 4.) Venedig - Genf.
5.) Frankfurt - Dresden. 6.) Bologna - Augsburg.
(Teil XII )
7.) Augsburg - Paris. 8.) Wien - Paris.
(Teil XIII )
9.) Paris - Amsterdam. 10.) Amsterdam - Genf. 11.) Brüssel - Genf.
(Teil XIV )
12.) Genf - Florenz. 13.) London - Moskau.
(Teil XV )
14.) Königsberg - Dresden. 15.) Paris - Madrid. 16.) Madrid - Aix-en-Provence.
17.) Wien - Berlin.
(Teil XVI )
WÄHRUNGEN.
Mr. Nugent's Wechselkurse.
England. Netherlands. Germany. Italy. France. Zusammenfassung.
Casanovas Geldverhältnisse.
(Teil XVII )
ANHANG.
Bibliographie.
Personenregister.
(Teil XVIII )
Register der Poststationen.
Die Faszination und das Interesse an Casanovas "Geschichte meines Lebens" scheint nie enden zu wollen. 1846, nur wenige Jahre nach der deutschen Erstausgabe 1822, erschien die erste fundamentale Untersuchung seiner Memoiren; von da an nahm die Anzahl der Casanova betreffenden Werke ständig zu. Außer den 400 Ausgaben der Memoiren in über 20 Sprachen wurden Briefbände, Nachdrucke seiner anderen Werke und Teile seines Nachlasses herausgegeben. Immer weiter sind Casanovisten damit beschäftigt, in Einzeluntersuchungen sein Leben und seine Zeit zu erforschen.I. von Gillian Rees
Über 3650 Bücher und Artikel sind inzwischen über diesen außergewöhnlichen Mann geschrieben worden. Sie befassen sich mit seinen Aufenthalten in verschiedenen Teilen Europas und mit besonderen Abschnitten seines Lebens; mit seinem Interesse an Frauen, Essen, Theater, Medizin, Chemie und die Kabbala, um nur einige Gebiete zu nennen; dazu kommt noch die große Anzahl von Männern und Frauen, die mit ihm befreundet waren. Viele Bücher setzen sich kritisch mit seinem Werk auseinander, andere versuchen sich an einer psychologischen Analyse seines Charakters. Ein gewaltiges Vorhaben kommt bald zum Abschluß, wenn Casanovas gesamter Nachlaß per CD-Rom jedermann zur Verfügung stehen wird.
Der Autor des vorliegenden Buches hat seine beachtlichen Kenntnisse über historische Wagen mit seinem Interesse an den Memoiren verbunden, um einmal mehr unser Wissen über Casanova zu erweitern. Ein einzigartiges Buch, das die Privatwagen beschreibt, die Casanova besaß, die Straßen, auf denen er durch ganz Europa reiste, mit all den Umständen und Kosten, die das Reisen zur Zeit der "Grand Tour" mit sich brachte. Casanova ist der einzige, der uns eine genaue Beschreibung solch ausgedehnten Reisens im eigenen Wagen hinterließ, und der Autor legte über 10000 Kilometer zurück, um die von Casanova benutzten Poststraßen und -Stationen zu erforschen. Dieses Buch vereint erstmals eine Entwicklungsgeschichte des privaten Reisewagens im 18. Jahrhundert, speziell des Englischen Coupés, mit einer exakten, in alle Einzelheiten gehenden Beschreibung sämtlicher Reisen, die Casanova zeitlebens gemacht hat.Gillian Rees, Eastbourne, England, Dezember 1995.
Das Zeitalter des Automobils ist von dem des von Pferden gezogenen Reisewagens durch die große Zeit der Eisenbahn getrennt. Zwischen 1860 und 1910 war dieses geniale, wenn auch öffentliche, Transportmittel für Fernreisen ohne Konkurrenz; nur einige schwerreiche Snobs reisten weiterhin von Poststation zu Poststation, Umwege in Kauf nehmend, in ihren eigenen Englischen Coupés.
In Deutschland begann erst in den fünfziger Jahren der Gebrauch des Autos nachhaltig zuzunehmen. Deswegen, nach hundert Jahren Reisen mit der Eisenbahn, haben wir das frühere Privatwagenfahren vergessen. Wir denken höchstens noch an die "romantische" (öffentliche...) Postkutsche des 19. Jahrhunderts, und an den Postillon, der "hoch auf dem gelben Wagen" fröhlich sein Horn bläst - aber das ist eine ganz andere Sache.
Tatsächlich ist die Freude am Fahren im eigenen Wagen, und an der Freiheit und Mobilität, die er uns gibt, keineswegs ein Lebensgefühl, das nur uns heutigen Autofahrern vorbehalten ist. Die Zeit, als es beginnen konnte, kam, als die Kutsche - nach zweihundert Jahren - technisch verbessert und in die Lage versetzt wurde, die Städte zu verlassen und weite Entfernungen auf dem gleichzeitig erweiterten Netz von Poststraßen zurückzulegen.
Der erste mir bekannte Mensch, der im großen Stil von dieser neuen Art zu reisen ausführlichst Gebrauch machte, ist Giacomo Casanova. Das bedeutet, daß der Abenteurer aus Venedig und weltbekannte Liebhaber getrost auch als der Ahnherr von uns Autofahrern bezeichnet werden kann.
Wie Millionen von Menschen genieße ich es, mit meinem Wagen zu fahren. Der jetzige ist mein zwanzigster - Casanova hatte immerhin neunzehn. Indem ich ihn fahrbereit vor meinem Haus stehen weiß, teile ich mit Casanova auch auf diesem Gebiet ein angenehmes Gefühl.
Ein Handbuch - und erst recht nicht ein elektronisches - macht nicht viel Worte, sondern will übersichtlich und durch schnellen Zugriff informieren. Dieses hier behandelt vier Themenkreise, in der Reihenfolge: Reisen allgemein, Reisewagen, Poststraßen und Währungen. Was es leisten soll, wird schon auf dem Titelblatt angekündigt; dazu möchte ich zum besseren Verständnis noch hinzufügen:Begleitbuch meint vor allem: eine bis in alle Einzelheiten vollständige Beschreibung von Casanovas Reiseleben. Eine Reisebiographie dieser Art wurde noch nie über eine Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts erstellt; als repräsentativ für Angehörige der oberen Gesellschaftskreise mag sie daher auch von allgemeinem Interesse für die Reiseforschung und andere Gebiete sein.I. Ein Begleitbuch zur "Geschichte meines Lebens"
des Venezianers Giacomo Casanova.Casanovas 17 Reisewagen und die beiden Pariser Fahrzeuge werden so genau wie möglich beschrieben. Wiederum handelt es sich um eine erstmalige Untersuchung: neuzeitlicher Fahrzeuge des alltäglichen Gebrauchs hatte sich nämlich die Wagenforschung in diesem Umfang noch nicht angenommen. So war die überragende Bedeutung des "Englischen Coupés", Casanovas bevorzugter Kutsche, für das Reisen bislang unbekannt, was nun zu einer Gesamtdarstellung dieses Wagentyps führte.II. Eine Beschreibung mit Abbildungen von Reise- und anderen Wagen,
einschließlich einer
"Geschichte des Englischen Coupés oder Post-Chariots".Casanovas Reisewege, das heißt eben: zu Lande stets über Poststraßen, werden "auf den Meter" genau dargestellt. Da er in ganz Europa herumreiste (außer in Skandinavien), kommt auf diese Weise ein großes Netz von Poststraßen zusammen, das auch von beliebig vielen Wohlhabenden und Prominenten benutzt werden mußte, was die allgemeine Nützlichkeit des Kapitels "Poststraßen" unterstreicht. Auch hier wieder eine Rekonstruktion, die noch nie unternommen, jedoch durchaus vermißt wurde.III. Ein Reiseführer der wichtigsten Poststrassen in Europa,
mit allen Poststationen; sowie eineEinführung
in die verschiedenen Reisemethoden.
Wie Casanova selbst reiste und die Allgemeinheit im 18. Jahrhundert reisen konnte, wird im ersten Kapitel beschrieben.Das Verständnis für Kosten ist bei vielen Gelegenheiten von Bedeutung, etwa um den Wert einer Ware beurteilen oder ganz allgemein Kostenvergleiche anstellen zu können. Um das zu erreichen, habe ich erstmals die wichtigsten Wechselkurse des 18. Jahrhunderts erforscht, um dann alle monetären Angaben in eine einzige zeitgenössische Einheit als Basiswährung umrechnen zu können, und zwar in den englischen Penny. Um zu einer Ahnung von damaliger Kaufkraft zu kommen, und zwar in den Bereichen Lebensmittel, Gastronomie und Wagen, ist es erlaubt, sich unter dem Penny den Euro (von 2002, und in den teuren europäischen Ländern bzw. Gegenden) vorzustellen (vgl. hier die Big Mac-Methode). Es handelt sich bei diesem Angebot also nicht um eine versteckte Umrechnung in den Euro, die selbstverständlich auch garnicht möglich ist, sondern nur um eine Gedächtnis- und Vergleichshilfe.IV. Ein Führer durch alle Geldsorten und ihrer Wechselkurse;
erstmalig mit einer Basiswährung,
die allen Preisen hinzugefügt ist.
[ Die Übersetzung von "calèche" in KalescheEin hilfreiches Gewitter;
oder, Die Geschichte, als Casanova Casanova wurde.
Pasiano di Pordenone, Mai 1742.
. . .
POST, ALPENPÄSSE, SCHIFFE:
Casanova und das Reisen im Jahrhundert der Grand Tour.
Sie sind achtundvierzig Stunden gereist,
ohne sich je aufzuhalten.
Was für ein großer Reisender Sie sind!
Francesca Buschini in einem Brief von 1783 an Giacomo Casanova.
Zwei junge Damen fahren entspannt an der Cote d'Azur entlang, auf ihrer Grand Tour nach Rom im Jahre 1860. Sie reisen mit einer "English Coach", etwa wie sie das Bild darunter zeigt. Hundert Jahre vorher reiste Casanova ebenso, relaxed und in einem englischen Wagen sitzend.
.
Einleitung.Der Begriff der Grand Tour stammt aus England, der vorherrschenden touristischen Nation des achtzehnten Jahrhunderts. Unter der Grand Tour verstand man die große kontinentale Rundreise mit dem Hauptziel Italien. Es galt, dorthin möglichst schnell zu gelangen, was für Engländer einen schon geradezu standartisierten Reiseverlauf zur Folge hatte. In Dover schiffte man sich nach Calais ein, durchquerte Frankreich über Paris und Lyon, überschritt die Alpen am Mont Cenis, um dann mit Turin das erste große italienische Ziel erreicht zu haben. Es ging dann weiter nach Piacenza, Parma und Bologna, von wo man über den Appenin Florenz, und durch die Toskana endlich Rom erreichte. Ein Ausflug nach Neapel war obligatorisch (vgl. "Poststrassen", London - Neapel). Auf der Rückreise wollte man in der Regel den berühmten Wallfahrtsort Loreto bei Ancona besuchen, um sich anschließend in Richtung Venedig zu begeben. Sodann wandte man sich entweder der Schweiz, oder Tirol und Bayern zu. Das Rheinland und die Niederlande bildeten den Abschluß der Grand Tour, die freilich von einigen noch durch Reisen nach Spanien, Österreich, Sachsen, Brandenburg usw. erheblich ausgedehnt wurde.
Voraussetzungen für ein effektives Reisen waren passable Straßen und die Möglichkeit des häufigen Pferdewechsels an Poststationen. Beides war im Mittelalter nicht mehr vorhanden, und wenn vereinzelt doch, dann am ehesten noch in Italien. Denn es war das Imperium Romanum, das die cursus publicus oder auch cursus vehicularis (öffentlicher oder Wagen - Kurs) genannte Post (und das Reisen damit) schuf, die dann im Italien der frühen Renaissance ihre Wiedergeburt erlebte (Posta; vermutlich von lat. equites depositi, postierte Reiter). Im Jahre 1492 wurde der erste große europäische Postkurs von Innsbruck nach Mechelen (bei Brüssel) eröffnet. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ging es dann mit Straßenbau und Einrichtung von Poststationen überall in Europa verstärkt voran. Aus Michel de Montaignes Reisetagebuch (vgl. /montaign.htm ) vernehmen wir aus dem Jahre 1580 erstmals von Wagenpferden der Post in Italien, von Post-Reitpferden (Frankreich, Italien) und von zahlreichen Kutschen ("cocchi" und "carrozze") unterwegs und in italienischen Städten. Gute Straßen fand Montaigne nicht nur in Italien vor, sondern auch in Süddeutschland und Tirol (Brenner-Paßstraße).
Anfangs bedienten sich wohlhabende Reisende eigener oder von Fuhrleuten gemieteter Reitpferde. Der Übergang vom Reiten zum Fahren war ein Prozeß von rund 200 Jahren, in dem das Reiten in dem Verhältnis ab-, wie das Wagenfahren zunahm. Ich setze das Jahr 1750 als Abschluß dieser Entwicklung an: Nun waren alle Städte durch Poststraßen verbunden, und das Kutschenhandwerk lieferte endlich schneller zu fahrende Reisewagen, so daß für die Reichen, wie z.B. Casanova, etwas anderes als das Fahren im eigenen oder gemieteten Wagen nicht mehr in Frage kam.
Die Bedeutung der Flußschiffahrt für das Reisen blieb aber erhalten, denn sie verschaffte nach wie vor einen Gewinn an Komfort und Zeit. Dabei nahm man, wie Casanova, häufig auch seinen eigenen Reisewagen mit an Bord.
Das Wort, daß die Alpen Europa verbinden, und nicht trennen, galt natürlich auch schon damals. Natürlich war man dem Wetter mehr ausgesetzt als heute, und die Strassen waren zweifellos noch gefährlicher. Wir werden aber die Schwierigkeiten nicht mehr überschätzen, wenn wir Montaignes Bericht über die Passage von Innsbruck über den Brenner-Paß nach Bozen zur Kenntnis genommen haben. Er schrieb (1580 in Brixen, durch die Feder seines Dieners):"Der Herr von Montaigne sagte: Sein ganzes Leben lang habe er dem Urteil anderer mißtraut, wenn die Rede auf die Annehmlichkeiten fremder Gegenden gekommen sei; denn jeder urteile nur nach dem Maßstab seiner eigenen Gewohnheit und versteht nicht über den Kirchturm seines Dorfes hinauszublicken: so habe er sich recht wenig nach den Anweisungen gerichtet, die er von den Reisenden erhalten habe. Aber hier wunderte er sich noch viel mehr über ihre Dummheit, da ihm gerade für diese Reise gesagt worden war, der Übergang über die Alpen sei hier überaus schwierig, die Landessitten seltsam, die Wege unzugänglich, die Unterkunftsverhältnisse barbarisch und das Klima unerträglich. (...) vielmehr würde er, wenn er für seine achtjährige Tochter einen Spaziergangzu suchen hätte, sie ebenso gern hier auf diesen Wegen wie in einer Allee seines Gartens sehen; und was die Gasthäuser anging, so fand er nie eine Gegend, in der sie so dicht gesäet und so schön waren, überhaupt habe er immer in schönen Städten logiert, wohlversehen mit Lebensmitteln und Wein, billiger als anderswo."Das sind die Worte eines vernünftigen und positiv denkenden Menschen, der ganz offensichtlich gerne auf Reisen ist. Montaigne behauptete sogar bald darauf, in Rovereto, er habe "ein so großes Vergnügen am Reisen, daß ich es hasse, den Ort des Ausruhens nahe zu wissen". Casanova, der umfassendste Zeitzeuge des Reisens im 18. Jahrhundert, verreiste mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Freude wie schon Montaigne, und wie wir heute es normalerweise auch tun.
Casanovas Reisemethoden.Es waren genau (oder besser: mindestens) 65.140 Kilometer, die Casanova im Laufe seines Lebens auf Reisen zurücklegte. Er bediente sich dabei aller nur möglichen Transportarten (es fehlt nur die von ihm nicht benutzte italienische "Cambiatura"). Besonders auffällig ist der häufige Gebrauch eigener oder gemieteter Wagen:
37.205 Kilometer von insgesamt 55.240 km über Land, d.h. zu fast 67 %, reiste Casanova "Extra-Post" in seinen eigenen Wagen (51 %), in Privatwagen von Freunden oder in Mietwagen.
In den Zeiten geringeren Wohlstands war er genötigt, sich vor allem der Postkutsche zu bedienen; mit diesen öffentlichen Kurswagen legte er insgesamt 13.105 km oder 24 % zurück.
Nimmt man die erwähnten privaten (C, K, L) und öffentlichen Reisemethoden (P) zusammen, so ergibt sich, daß Casanova auf dem Lande zu fast 90 % mit der Post reiste - Triumph eines Transportsystems, das erst Casanovas Generation in diesem Umfang zugute kam.
A - 25 - - - - - - - 0 - - - - - - 25 - - - EselSummen: 51.540 - 13.600 - 65.140km
B - 30 - - - - - - - 0 - - - - - 30 - - - Schlitten (Alpen)
Z - 60 - - - - - - - 0 - - - - - - 60 - - -Tragstuhl (Alpen)
T - 110 - - - - - - 0 - - - - 110 - - - Per Anhalter
M - 220 - - - - - - 0 - - - - 220 - - - Maultier
H - 250 - - - - - - 0 - - - - 250 - - - Pferd
F - 275 - - - - - - 0 - - - - 275 - - - Zu Fuß
? - 1.060 - - - - - 0 - - - - 1.060 [* Zwei Reisen (Venedig - Rom 1744/45), die
i. d. Memoiren nicht erwähnt werden.]
R - 1.280 - - - - 180 - - - 1.460 - - - Schiff, Binnengewässer
V - 2.900 - - - - - 0 - - - 2.900 - - - Fuhrmann / Vetturino
L - 3.475 - - - - 245 - - - 3.720 - - - Mietwagen
K - 3.300 - - 3.050 - - - 6.350 - - - Privatwagen anderer
S - 8.440 - - - - - - 0 - - - 8.440 - - - Schiff, zur See
P - 7.850 - -- 5.255 - - - 13.105 - - - Postwagen, Postkutsche
C - 22.265 -- 4.870 - - - 27.135 - - - Casanovas Reisewagen
1.) Berichtszeitraum der Memoiren . 2.) 1774 bis 1798 .
Giacomo Casanova wurde am 2. April 1725 als Sohn eines Schauspieler-Ehepaares in Venedig geboren. Er studierte in Padua und promovierte 1742 zum Doktor der Rechte.
Zeitlebens war er soviel auf Achse, dass man seine Lebensdaten gut über seine Reisen vermitteln kann, denn Sesshaftigkeit war die Ausnahme (hier extra vermerkt).
1756 floh er als erster aus den "Bleikammern" des Dogenpalastes in Venedig, was ihn in ganz Europa berühmt machte. Nachdem er in Paris als Lottoeinnehmer und in Amsterdam mit Hilfe seines Orakels zu viel Geld gekommen war, führte er noch zehn Jahre lang ein höchst abwechslungsreiches Abenteurerleben.
1774 durfte er nach Venedig zurückkehren, musste die Stadt 1782 erneut verlassen, fand 1784 eine Anstellung in Wien und landete schließlich 1785 in Schloss Dux (bei Töplitz in Nordböhmen) in einträglicher und bequemer Stellung als Bibliothekar des Grafen Waldstein.
Nun entwickelte er eine fieberhafte schriftstellerische Tätigkeit, die in der Niederschrift der "Geschichte meines Lebens" gipfelte. Er starb in Dux am 4. Juni 1798.
Nr. Jahr Memoiren Bd. I-XII Stichwort In Begleitung von... Strecke1.: Im Berichtszeitraum der Memoiren (1725 - 1774).
Wohnt in Venedig, ab 1734 auch in Padua.1. 1734 I StudienMutter Zanetta Casanova, Grimani, Baffo Venedig - Padua - Venedig.
II. Zeit großen Wohlstands (Bragadin-Rente; 22. bis 44. Lebensjahr):
Wohnt von 1746 - 1750 in Venedig.7. 1749 II Magie / Henriette Henriette Venedig - Mailand - Mantua - Cesena - Parma - Genf - Venedig. 8. 1750 III Paris Balletti Venedig - Lyon - Paris.
Wohnt von 1750 - 1752 in Paris (Bild rechts: sein Französischleher Crébillon d. Ä.).9. 1752/53 III Theater Francesco Casanova Paris - Dresden - Prag - Wien - Venedig.
Wohnt von 1753 - 1756 in Venedig.10. 1756 IV Flucht aus dem Dogenpalast Balbi; Mme Rivière Venedig - München - Straßburg - Paris.
Wohnt von 1757 - 1759 in Paris (Bild rechts: König Louis XV).11. 1757 V Geheimagent Paris - Dünkirchen - Paris.
wohnt 9 Monate in London.22. 1764 X Friedrich II. (Bild rechts)Redegonda London - Wesel - Wolfenbüttel - Berlin.
wohnt 9 Monate in St. Petersburg.24. 1765 X König Stanislaus La Valville St.Petersburg - Warschau - Crystinopol - Warschau.
wohnt 9 Monate in Warschau.25. 1766 X Nach dem Duell Maton; La Castel-Bajac Warschau - Leipzig - Dresden - Prag - Wien.
wohnt 10 Monate in Madrid.28. 1768 XI Nina Madrid - Zaragoza - Valencia - Barcelona.
wohnt 3 Monate in Barcelona.29. 1768/69 XI Meuchelmörder Barcelona - Aix-en-Provence.
III. Warten auf die Rückkehr nach Venedig (44. bis 50. Lebensjahr):
30. 1769 XI Buchdruck
Aix-en-Provence
- Nizza - Lugano.
31. 1769/74 XI / XII
Heimweh Betty Lugano
- Turin - Neapel - Rom - Florenz - Bologna - Ancona -Triest.
wohnt für einige Monate in Florenz u. Bologna, und von 1772 bis 1774 in Triest.
(Insgesamt 13.600 km.)2.: Vom September 1774 bis zu seinem Tode 1798.
Nr. Jahr Monat(e) (Reiseart
*, Kilometer) Strecke
Anmerkungen
_____________________
* C = Casanovas Wagen; K = Privatwagen; P = Postwagen; R = Schiff.
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1. 1774 September (P, 200
km) Triest - Görz - Venedig.
Ankunft in Venedig am 14. September.
2. 1776 Dezember (P, 400 km)
Venedig
-
Triest - Venedig.
"In geheimer Mission".
3. 1779 Juni/Juli (K, 490
km) Venedig - Bologna - Forli - Cesena
- Imola - Bologna - Venedig.
Mit Konsul Del Bene, im Auftrag der venezianischen Inquisitoren.
V. Auf der Suche nach einem Alterssitz (58. bis 61. Lebensjahr) - 7.285 km - :
(Schilderung aller Quellen: "Casanova between Venice and Dux (1782-1785)".)
5. 1782 September (P, 400
km) Venedig - Triest - Venedig.
Ein Monat Aufenthalt in Triest.
6. 1783 Januar (P, 700
km) Venedig - Triest - Wien.
In Wien ungefähr fünf Monate.
7. 1783 Juni (P,
700 km) Wien - Triest - Venedig.
Eine Woche in Udine, eine weitere in Mestre. - ( Reisen
7. - 10.:
Casanovas letzte "Grand Tour".)
8. 1783 Juni-Sept. (P,
955 / C15, 560 / R, 180 / K, 375 / zus. 2.070 km) Venedig
- Frankfurt - Spa - Amsterdam - Paris.
Von Innsbruck nach Mainz: sein Reisewagen C15 "Innsbruck". -
November: in Fontainebleau.
9. 1783 Nov.-Dez. (C16,
1.360 km) Paris - Frankfurt - Regensburg -
Wien.
Die ganze Reise mit seinem Bruder Francesco und in ihrer eigenen Reisekutsche
C16 "Paris 4".
10. 1783/84 Dez.- Februar
(P, 1.435 km) Wien - Prag
- Dresden - Berlin - Dessau - Leipzig - Dresden - Brünn
- Wien.
Wohnt in Wien von Februar 1784 bis Juli
1785. Ausflüge 1784 nach Meidling (im Mai Marr [16 F 12]),
Baden, u. 1785 Wiener Neustadt.
11. 1785 Juli-Sept. (P, 375 /
L, 245 / zus. 620 km) Wien - Brünn
- Czaslau - Prag - Carlsbad - Töplitz -
Dux.
Sept.: Ankunft im letzten Wohnort Dux.
VI. Im Schloß Dux des Grafen Waldstein (61. bis 74. Lebensjahr) - 5.135 km - :
Anmerkung:
Die folgenden Reisen - alle im eigenen oder des Grafen Wagen - kosteten
Casanova allein für Postpferde und Postillone 1.480 Gulden oder umgerechnet
44.400 engl. Pence / Euro, das sind pro Monat 308 Pence im Durchschnitt.
Sein Monatsgehalt als Bibliothekar lag offenbar (nach Rives Childs) bei
83,33 Gulden oder 2.500 Pence. Hinzu kamen noch zahlreiche Vergütungen
seines großzügigen Dienstherrn, tatsächlich ein Freund
und Mäzen, denn für ihn arbeiten mußte er kaum. Im Gegenteil,
Casanova sollte sich ganz seinem literarischen Schaffen widmen können,
das dann auch - bekanntlich - gewaltig ausfiel.
So kann nicht nur seine finanzielle, sondern auch seine
gesamte restliche Lebenssituation als äußerst günstig angesehen
werden.
12. 1786 Juli
(C17, 250 km) Dux - Carlsbad
- Dux.
Auf Graf Waldsteins Wunsch und mit dessen Wagenpferden
[Marr 14
M 1] für Casanovas Wagen C 17 "Dux".
Santa Barbara Friedhof und
Kapelle in Dux: etwa an der Stelle, über der sich im Sommer 1999 der
Greifarm des Baggers erhebt, war Casanovas Grab. Seine Gebeine jedoch wurden
schon vor über hundert Jahren exhumiert; über ihren Verbleib
ist nichts bekannt (Foto: Marco Leeflang).
Nicht nur über die Transportmöglichkeiten, sondern auch über Verkehrswege, Postgesellschaften, Gasthäuser usw. in Holland, Deutschland, Italien und Frankreich können wir uns hier aus erster Hand informieren. Interessant ist auch, daß für Deutschland und Italien ausdrücklich der Gebrauch von eigenen Reisewagen empfohlen wird.I. Art des Reisens in Holland.
[Übersetzung, Fettdruck und Anmerkungen zwischen [ ] sind von mir.]
Ich erinnere mich an eine in Deutschland gehörte diesbezügliche Geschichte, die in sich etwas sehr unterhaltsames hat. Als im letzten Jahrhundert die französischen Protestanten ihr Land verlassen mußten, wurden Schutzsuchende insbesondere von den Schweitzern mit größter Gastfreundschaft empfangen. Als einige arme Franzosen in ihr Schlafzimmer geführt wurden, und der beiden übereinander liegenden Federbetten gewahr wurden, stellte sich einer vor, aus Platzmangel müßten hier die Leute einer über dem anderen liegen. Daraufhin wandte er sich an den Zimmerdiener mit der Bitte, er möge ihm einen der leichtesten Kameraden zuteilen, da er es nicht gewohnt sei, in dieser Art zu liegen.Es gibt kein Land in Europa, wo die Post besser verwaltet wird als in Deutschland. Üblicherweise reist man in Maschinen, die sie Postwagen (post-waggons) nennen, und diese Bezeichnung verdienen sie wahrhaftig. Sie sind nur etwas besser als gewöhnliche Karren, mit Sitzen für die Passagiere, ohne irgendein Dach, außer in Hessen-Kassel, und einigen wenigen anderen Gegenden. Sie kommen nur langsam voran, nicht viel mehr als drei [Englische] Meilen die Stunde [4,5 km/h], und was für die Passagiere noch unangenehmer ist, sie traben Tag und Nacht, in Sommer und Winter, Regen oder Schnee, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Im Winter, wenn es sehr kalt ist, hält der Postillon ziemlich oft vor Gasthäusern an, denn es ist üblich, daß die Passagiere sich aufwärmen dürfen, aber etwas anderes als ein Glas Branntwein oder eine Tasse Kaffee kann man kaum wo weder für Geld noch gute Worte bekommen. (...). Diejenigen, die es sich leisten können, sollten eine Chaise oder ein Coupé (chaise or chariot) für sich selbst kaufen, und Postpferde mieten, also Extra-Post (extraordinary post) reisen, wie sie es nennen. Das ist unendlich viel besser (...).