DIE CASANOVA TOUR
von Pablo Günther

( InhaltTeil V:
REISEWAGEN  (Teil III,  IV - VIII ) - Das Englische Coupé oder Post Chariot - Von Casanova bis Napoleon I. - Transport zerlegter Reisewagen - Napoleons Waterloo-Post Chaise - Geschichte des Englischen Coupés im Achtzehnten Jahrhundert.   (Teil VI: Casanovas Wagen)

Das Englische Coupé oder Post Chariot.
Von Casanova bis Napoleon I.
    Engländer nannten es "Post-Chaise" oder "Post-Chariot", Deutsche "Englischer (Reise-) Wagen", Franzosen "diligence à l'anglaise", und Casanova sagte immer "voiture anglaise", Englischer Wagen. Ich nenne es Englisches Coupé, denn es war ein Coupé, und es war eine geniale englische Erfindung.
"Riche Diligence de Ville Montée sur des Ressorts à l'Angloise", über einem Berlinen-Chassis. Zeichnung von Chopard, Paris, um 1775. Die Ansicht des Kastens auf der linken Seite zeigt ein typisches Merkmal des Englischen Coupés: die zwei Frontfenster. - Foto: Museum Achse, Rad und Wagen, Wiehl.
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    Der erste Benutzer eines Englischen Coupés, von dem wir detaillierte Angaben erhalten, war Casanova. Aber wer sonst noch besaß diese Fahrzeuge bald nach ihrer Entstehung? Es wäre für die Wagen- und Casanova-Forschung von großem Interesse, seine Angaben mit denen anderer Benutzer zu vergleichen. Es zeigte sich aber, daß in Europa keine zu finden waren; erst von Mariana Starke aus dem Jahr 1797 hören wir Einzelheiten über das Reisen mit diesem Wagen.
    In den USA ist die Quellenlage jedoch reichlicher, und speziell in Virginia dank des Goodwin Reports: die Autorin sammelte 61 Referenzen für den Englischen Reisewagen und 95 für den Stadtwagen (das war praktisch der gleiche Typ), und zwar aus der Zeit zwischen 1757 und 1799. Von den prominenten Besitzern in Nordamerika will ich vier erwähnen:
    Martha Custis besaß ein Chariot, als sie George Washington 1759 heiratete (Treue,p.287ff.). 1768 bestellte Washington in London ein neues (der erste Präsident der USA besaß zwischen 1750 und seinem Tod 1799 "nur" dreizehn Reise- und Stadtwagen, während Casanova insgesamt 19 hatte).
    Thomas Jefferson (Goodwin,p.lxx), dritter Präsident der USA, bezahlte 1773 Wagensteuer für ein Chariot. 1788 bestellte er ein weiteres in London für 171 Pfund Sterling (41.040 d.).
    John Brown aus Providence, Rhode Island, ließ sich in Philadelphia 1782/83 ein noch vorhandenes Post Chariot machen, in dem er auch große Reisen unternahm.
    In Europa konnte ich nur folgende Besitzer Englischer Coupés im 18. Jahrhundert ausfindig machen:
    Graf Dandini aus Cesena, Sohn von Ercole Francesco Dandini (1691-1747; bei ihm hörte Casanova Jurisprudenz in Padua), ist der erste bekannte Eigentümer eines Post Chariots; er verkaufte den Wagen im Juli 1749 an:
    Giacomo Casanova, der sich gerade in Cesena aufhielt. Ein halbes Jahr später ging er in den Besitz seiner Freundin:
    Henriette (vermutlich Adélaide de Guidan aus Aix-en-Provence) über, in Genf.
    Samuel Lister aus Halifax wäre dann der vierte mir bekannte Eigentümer (um 1755). Seine Post-Chaise ist die älteste, die es noch gibt ("Lister Chaise").
    William Augustus, Herzog von Cumberland, ist der fünfte, wie aus einer von Paul Sandby 1763 angefertigten Zeichnung seiner Post Chaise hervorgeht.
    Der Prinz von Mecklenburg-Strelitz erhielt von seiner Schwester, der Königin von England, 1768 ein Stadtcoupé als Geschenk.
    Graf Josef Karl von Waldstein, Casanovas Wohltäter und Dienstherr in Dux, unternahm 1790 "mit einem Wagen à l'anglaise und vier Pferden, zwei Kutschern und zwei Lakaien" eine große Reise, wie Casanova in einem Brief schrieb (Leeflang, Casanova Archiv, Marr 9-39).
    Aus dem 19. Jahrhundert will ich nur zwei berühmte Eigentümer von den vielen tausenden erwähnen, die es überall gab:
    Napoleon I. verlor nach der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 sein drittes Militär-Coupé, das "äußerlich ganz den gewöhnlichen englischen Reisewagen entsprach" (Zeitung für die elegante Welt, Nr. 95, 1816).
    Franz I. von Österreich reiste auch mit einem Coupé, das dem von Napoleon sehr ählich war. In Wien von der Hofsattlerei um 1825 gebaut, befindet es sich heute in der "Wagenburg" im Schloß Schönbrunn.
 Das Reisecoupé von Kaiser Franz I. - Foto: PG.
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    Man könnte meinen, daß mit der sogenannten Lister Chaise von etwa 1755 Casanovas Englische Coupés bestens dokumentiert sind. Aber da gibt es ein Problem: mit diesem Wagentyp konnte er nicht wirklich so reisen, wie er es tat, nämlich hohe Alpenpässe auf Saumpfaden zu überqueren. Dabei mußte der Wagen nämlich vollständig zerlegt werden, und zwar auf einfache und schnelle Art, was mit der Lister Chaise nicht möglich war und ist.
    Es muß also ein spezielles Modell gegeben haben, das ich "Gran Tourismo" (GT) nenne - ein Post-Chariot, das für die Grand Tour geeignet war, oder, in anderen Worten, für kontinentalen und alpinen Gebrauch.
Das Englische Coupé kam in vier Grundtypen vor:
    Typ 1: Die Post-Chaise, als ein einfacher Reisewagen, z.B. die "Lister Chaise", und das "Felissent Coupé". Thomas Rowlandson zeigt die Post-Chaise auf Dutzenden seiner Zeichnungen aus dem ersten Viertel des 19. Jhdts. Fahrgestell: immer 1 Baum. Kasten: immer geschlossen.
    Typ 2: Die Post-Chaise oder -Chariot, als ein nobler Reisewagen, z.B. der "Compiègne" und das "Wythe Chariot". Andere Beispiele sind die Kriegs-Coupés von Napoleon I. Fahrgestell: 1 oder eventuell 2 Bäume. Kasten: geschlossen oder konvertibel.
Casanovas Coupés "GT" gehören zu dieser Kategorie. Fahrgestell: immer 1 Baum, leicht von den Achsstöcken zu entfernen. Kasten: konvertibel, das Oberteil leicht von der Kastenbasis zu abzumontieren.
    Typ 3: Das Post-Chariot, als ein nobler Reise- und Stadtwagen, z.B. der "John Brown". Fahrgestell: meistens 2 Bäume. Kasten: zusätzliche Seitenfenster. Eng verwandt damit ist:
    Typ 4: Das Post-Chariot, als ein reiner Stadtwagen, z.B. die "Diligence de Ville". In England wurde es auch Dress- oder State-Chariot genannt, und auf dem Kontinent Berlinen- oder Gala-Coupé (ab etwa 1800 wird mit Berline ein Wagen mit der Kastenform in Englischem Stil bezeichnet, ohne Rücksicht auf das Fahrgestell). Fahrgestell: 1 oder 2 Bäume.
     Leider ist es mir noch nicht geglückt, eine Abbildung von Casanovas Coupé "GT" zu finden. Schriftliche Quellen verhelfen uns jedoch zu klaren Erkenntnissen über seine Eigenschaften.

Transport zerlegter Reisewagen.
    Zwischen 1749 und 1763 überquerte Casanova den Großen Sankt Bernhard ein Mal und den Mont Cenis fünf Mal, immer mit seinen Englischen Coupés, und mit allen vieren, die er besaß.
    1763 brachte er sein vollständig zerlegtes viertes Englisches Coupé an Bord einer Feluke, die ihn von Genua nach Antibes beförderte.
Casanova berichtet:
    (GmL,Bd.3/Kap.V/S.108) "Bei Einbruch der Dunkelheit fuhren wir [mit seinem Englischen Coupé "Cesena"] von Parma ab und unterbrachen unsere Reise in Turin nur für zwei Stunden, um einen Diener zu nehmen, der uns bis Genf behilflich sein sollte. Tags darauf gelangten wir in Tragstühlen auf den Mont Cenis und auf Schlitten hinunter nach Lanslebourg. Am fünften Tag erreichten wir Genf, wo wir im Hotel 'A la Balance' abstiegen."
    (GmL,3/V/110) "Am folgenden Tag reiste ich [im Wagen "Genf 1"] mit einem Diener, den Monsieur Tronchin mir verschafft hatte, nach Italien ab. Trotz der schlechten Jahreszeit nahm ich den Weg über den [Großen] Sankt Bernhard und überquerte ihn in drei Tagen mit sieben Maultieren, die wir für uns, meinen Koffer und den Wagen brauchten, der für meine Geliebte [Henriette] bestimmt gewesen war. (...) Ich verspürte weder Hunger noch Durst noch auch die Kälte, unter der die Natur in diesem abscheulichen Teil der Alpen erstarrt ist."
    (GmL,7/XIII/332f.) "Nachdem ich mir einen Kreditbrief für Augsburg geholt hatte, brach ich auf und überquerte am nächsten Tag den Mont Cenis auf Maultieren, das heißt ich, Costa, Leduc und mein Wagen ["Pisa"]. Drei Tage später mietete ich mich in Chambéry im einzigen Gasthof ein, in dem alle Reisenden absteigen müssen."
    (GmL,9/II/72) "Meine Feluke war groß, hatte zwölf Ruderer und war mit einigen Steinmörsern und vierundzwanzig Gewehren ausgerüstet, damit wir uns allenfalls gegen ein Seeräuberschiff verteidigen konnten. [Mein Diener] Clairmont hatte meine Koffer und meinen Wagen ["Genf 2"] so geschickt unterbringen lassen, daß darin fünf Matratzen in ihrer ganzen Länge Platz hatten und wir uns wie in einem Zimmer hätten niederlegen und sogar ausziehen können. Wir hatten dicke Kopfkissen und große Decken. Ein langes Segeltuchzelt bedeckte die ganze Barke, und an den beiden Enden der Querstange, die das Zelt trug, waren zwei Lampen aufgehängt.
(S. 80) Um vier Uhr sahen wir Nizza liegen und um sechs Uhr gingen wir in Antibes an Land. Clairmont sorgte dafür, daß alles in mein Zimmer geschafft wurde, was ich auf der Feluke gehabt hatte; am nächsten Tag wollte er dann meinen Wagen wieder zusammenbauen lassen ["faire remonter"]."
A. Webleys konvertibles Chariot, auch Landaulet genannt (London 1763), konnte einfacher zerlegt werden als ein Coupé mit einem geschlossenen Kasten. Deswegen glaube ich, daß Casanovas für die Grand Tour geeigneten "GT" - Coupés etwa so ausgesehen haben. - Montage und Foto: PG.
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    Für den Transport von Casanovas Coupés gab es, je nach Anforderung, zwei Möglichkeiten für die Zerlegung:
1. Methode "Großer Sankt Bernhard": möglicher Gebrauch von Schlitten:
Für die Passage standen laut Casanova 4 Maultiere zur Verfügung, um seinen Wagen zu transportieren. Das konnten sie so gemacht haben:
 Der Kasten war
 a) zwischen zwei Stangen gehängt (wie eine Sänfte) und getragen von 2 Maultieren; oder
 b) auf einen Schlitten gesetzt (falls Schnee lag) und gezogen von 1 Maultier.
Das Fahrgestell konnte auf 2 oder 3 Maultiere verteilt werden, denen man dann folgende Einzelteile aufpackte:
 1) die vier Räder;
 2) den Langbaum;
 3) die Hinterachse mit dem Federnstock;
 4) die Vorderachse;
 5) den vorderen Federnträger;
 6) den Kutscherbock;
 7) die Deichsel.
2. Methode "Mont Cenis" (und "Feluke"): der Einsatz von Stangen und Schlitten war nicht möglich an der Ostseite des Passes:
Vermutlich wurden mindestens 5 Maultiere gebraucht.
Der Kasten wurde zerlegt und von 3 Maultieren transportiert:
 das erste trug:
  1) die 2 Türen (Fenster und Jalousien heruntergelassen);
  2) den Frontfenster-Rahmen (Scheiben und Jalousien in die Spritzwand der Kastenschale heruntergelassen);
 das zweite trug:
  3) das zusammengeklappte Verdeck;
 das dritte trug:
  4) die Kastenschale (einschließlich der Sitzbank und des Klappsitzes).
Die verschiedenen Teile des Fahrgestells wurden von mindestens 2 Maultieren transportiert.
     Was berichten andere Reisende, die mit ihren eigenen Wägen Bergpässe überquert haben? Wieder ist es der klassische Paß der Grand Tour, der Mont Cenis, der zu Mitteilungen Anlass gab.
    Lady Mary Wortley Montagu begleitete ihren Mann, der als Botschafter nach Constantinopel geschickt wurde: zu Lande reisten sie nur in ihren eigenen Wägen. 1718 auf der Rückreise schrieb sie von Lyon nach England (Complete Letters,S.434):
"Am nächsten Tag begannen wir, den Mont Cenis zu besteigen, indem wir auf kleinen Sitzen (...) auf den Schultern von Männern getragen wurden; unserer Chaisen wurden in Stücke zerlegt und auf Maultiere gepackt."
Wie aus dem Kontext ersichtlich waren die Chaisen zweirädrige italienische Sedien.
    Carl Ludwig von Pöllnitz überquerte um 1730 ebenfalls den Mont Cenis mit einer Sedia (S.2f.):
"La Novalaise ist ein schlechter Flecken, mit einem sehr elenden Wirths-Hauß, welches um so viel unangenehmer, weil die Fremden so gar gezwungen sind, daselbst sich aufzuhalten, um ihre Post-Chaisen auseinander nehmen zu lassen, welche nunmehro benebst der Bagage stückweise auf Maul-Thiere geladen, und über das Gebürge getragen werden müssen."
    Horace Walpole und Thomas Gray reisten 1739 zusammen nach Italien, auch sie in einer zweirädrigen Chaise. Thomas Gray schrieb (S.126):
"(...) wir kamen nach Lanslebourg, der letzten Stadt in Savoyen (...). Hier wurde die Chaise in Stücke zerrissen und mit dem Gepäck von Maultieren befördert: Wir selbst (...) wurden auf einen geflochtenen Stuhl ohne Beine gesetzt."
    Endlich, mit einem vierrädrigen Wagen, reiste der Englische Chirurg Samuel Sharp (1700? - 1778) 1765 nach Italien, auch über den Mont Cenis, mit einer "schweren Coach" und einer "schweren Chaise", deren Herkünfte er nicht erwähnt. Jedoch fügte er dem Anhang seines Reiseführers (S.311) einen sehr interessanten Artikel hinzu, den er "An Admonition to Gentlemen who pass the Alps, and make the Tour of Italy" nannte, worin wir lesen:
"Einige Italiener, die oft über die Berge reisen, bauen den Wagenkasten so leicht wie möglich, und dergestalt, daß er in zwei Teile zerlegt werden kann; durch diesen Kniff sind die Transportgebühren am billigsten. Engländer, die in ihrer eigenen Kutsche reisen, sollten darauf achten, daß diese zerlegt werden kann, was bei Fahrzeugen mit Langbaum [normalerweise] nicht möglich ist (who take their own coaches, should provide such a carriage as may be taken to pieces, which those with a perch do not admit of)."
    Wenn ich den letzten Satz richtig verstehe, weist Sharp darauf hin, daß englische Wagen mit Langbaum, also vierrädrige, normalerweise nicht zerlegt werden, aber solche mit dieser Eigenschaft durchaus in England gekauft werden können.
Das ist also der erste Beweis für Casanovas Hinweise auf die Zerlegbarkeit seiner englischen Wagen.
    Einen zweiten Beweis fand ich in den "Letters from Italy" (1797; 1815 veröffentlicht) von Mariana Starke (1762-1838). Dieses Buch enthält auch im Anhang gute Ratschläge für Reisende mit eigenen Wägen, insbesondere auf die Zerlegbarkeit (nach Burgess,S.38 f.) .
"Of things most requisite"
"Those persons who design to travel much in Italy should provide themselves with a strong, low-hung crane-necked [tiefliegend mit Schwanenhälsen] English carriage [das war normalerweise ein Post Chariot], with well-seasoned corded springs [Federn], sous-soupentes [Notriemen für den Kasten], and iron axle-trees; strong wheels, properly corded for travelling; two drag-chains (the one with an iron shoe, the other with a hook); two drag-staffs; a box, containing extra linch-pins, nails, and tools for repairing, mounting, and dismounting a carriage [Werkzeuge für Reparatur, Zusammen- und Auseinanderbau eines Wagens] (this box should be made in the shape of a trunk, padlocked, and slung to the iron work of the carriage); a well; a sword-case; a very light imperial [Verdeck]; two moderate-sized trunks, the larger to go before, with a padlock and chain for the smaller; lamps, and a stock of candles fitted to them. The bottom of the carriage should be pitched on the out-side. A second-hand carriage, in good condition, is preferable to a new one; and an out-side seat, for a man-servant, not suspended on the springs, but fixed to the boot, and slung upon leathers, may frequently prove useful. Every travelling - carriage should be made to lock up; and the boxes of the wheels should be brass."
    Interessant ist auch der Hinweis auf "sehr leichte Imperiale" oder Verdecke: wenn der Oberbau des Kastens leicht sein soll, wählt man am besten ein umlegbares Verdeck aus dünnen Eisenstangen, Leder und Stoff, also das eines Landaulets bzw. Casanovas Coupés "GT".

Napoleons Waterloo - Post Chaise.
    Ein Englisches Coupé, das zu höchst möglichem Rang und in seiner Zeit zu großer Berühmtheit gelangte, war das letzte von drei bekanntgewordenen Post Chariots von Napoleon I.
Nach Max Terrier, dem Altmeister der Kutschenforschung in Frankreich, hatte der Kaiser "drei verschiedene Equipagen für die Armee":
1. Seine gepanzerte Post Chaise, offiziell "voiture de poste" genannt (oder "dormeuse", Schlafwagen; Napoleon pflegte in wörtlicher Übersetzung "chaise de poste" zu sagen), ein bestens ausgerüstetes Kriegs-Coupé;
2. seine Kalesche "für leichten Dienst", ab 1812 ein Landauer à l'anglaise (der Waterloo - Landauer, heute in Versailles);
3. seine "Brigaden" von Reitpferden.
    Am 5. März 1812 lieferte Napoleons Hofwagner, (der Engländer?) Getting in Paris, eine Post Chaise (Nr. 300 des kaiserlichen Marstalls) für den Rußland-Feldzug. Sie kehrte ohne den Kaiser aus Moskau zurück und wurde 1814 von dessen Frau Marie Louise zusammen mit 25 weiteren Kutschen nach Wien gebracht.
    Die nächste Post Chaise (Nr. 336) wurde von Getting am 18. März 1813 geliefert; sie begleitete Napoleon auf die Insel Elba und kehrte mit ihm im März 1815 nach Antibes und Grasse zurück, wo er sie zurücklassen mußte, weil dort die Straße endete.
Die Post Chaise Nr. 336 während der Feldzüge 1813/14. Eine realistische Ansicht der Equipage; seit Casanovas Zeiten hatte sich nicht viel geändert. - Lithographie von R. Desvarreux. Wagenmuseum von Robert Sallmann, Amrisvil / Schweiz. Foto: PG.
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    Nach seiner triumphalen Ankunft in Paris am 20. März brauchte Napoleon deshalb eine neue Post Chaise. Der Befehl lautete "die gleiche wie Nr. 336", und Getting war schon nach wenigen Wochen mit der Herstellung fertig. Am 30. April 1815 lieferte er die Post Chaise Nr. 389.
    Am 11. Juni brach der Kaiser nach Norden zu seinem letzten Feldzug auf. Er nahm in seiner neuen Chaise Platz um in Avesnes zu seiner Armee zu stoßen. Am 13. Juni dort um vier Uhr morgens angekommen, stieg er aus, um sie nie mehr zu betreten, denn an den nächsten sechs Tagen bediente er sich stets seiner Reitpferde oder seines Landauers. Aber sie war stets in der Nähe, gemäß seines Befehls (Terrier,p.112):
"(...) daß sie mir auf dem Schlachtfeld immer hinter den Gardereserven folge; sie führe stets mit sich: ein Nécessaire, Kleider zum Wechseln, ein Schwert, ein Mantel und ein eisernes Bett".
Tatsächlich notierte später sein Postillon der Nr. 389, Jean Horn, daß er "bei einem Bauernhof von drei oder vier Häusern, La Belle-Alliance genannt, postiert" war (Terrier,p.113) .
    Mit dem Verlust seines Hauptquartiers bei La Belle-Alliance, am Abend des 18. Juni, verlor Napoleon die Schlacht von Waterloo und mußte auf einem Pferd fliehen. Seine Post Chaise wurde von dem preußischen Oberleutnant Baron Eugen von Keller erobert und nach Düsseldorf gebracht. Im Frühjahr 1816 kaufte ein Mr. Bullock die Chaise und stellte sie in seinem "London Museum" aus, wo sie riesiges Interesse hervorrief, gerade so, als ob "old Nap" persönlich zu besichtigen gewesen wäre.
    Später kam die Post Chaise in das Museum der Madame Tussaud, wo sie 1925 durch einen Brand zerstört wurde.
Napoleons letzte Post Chaise (No. 389 "Waterloo") im Museum der Madame Tussaud in London. - Foto: Terrier / Tussaud.
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    1876 beschrieb Captain Malel detailliert Napoleons genial konstruierte Waterloo-Post Chaise in seinem Buch "Annals of the Road" auf den Seiten 18 f.
    1967 brachte The Carriage Journal, New York (Bd. 5, Nr 1, S. 16 - 23), einen Artikel des Herausgebers, Colonel Paul H. Downing: "Napoleon's Military Carriage". Daraus stammen die beiden Zeichnungen unten.
    1978 erschien Max Terriers Artikel "Le Landau de Napoléon et Son Histoire" in "La Revue du Louvre", Nr. 2, Paris, der erstmals die wahre Geschichte der Post Chaise No. 389 erzählte, und auf die ich mich hier beziehe.
    Schließlich entdeckte ich 1992 in der Universitätsbibliothek Heidelberg einen Artikel über den gleichen Gegenstand, und zwar in der "Zeitung für die elegante Welt", Nr. 95 vom Dienstag, den 14. Mai 1816. Er soll mein Beitrag für diese spezielle Kutschenforschung sein (Fettdruck von mir).
"Zum Kupfer Nr. 4."
"Unsere Leser erhalten hier eine Abbildung des Wagens von Bonaparte, der von den preußischen Truppen in der Schlacht bei Waterloo erbeutet wurde und gegenwärtig sich zu London befindet, wo er dem Publikum zur Schau gestellt wurde. Das Aeußere desselben gleicht ganz den englischen gewöhnlichen Reisewagen. Die Farbe ist dunkelblau und die Einfassung macht eine schöne goldene Arabeske. Auf den Wagenthüren befindet sich das kaiserliche Wappen. Auf jeder Ecke ist eine Laterne angebracht, so wie noch eine hinten, welche ein starkes Licht in das Innere wirft. Vorn ist ein großer Vorsprung, und dann folgt der Sitz des Kutschers, welcher so angebracht ist, daß dieser nicht in den Wagen hineinsehen kann. Die Wände des Wagens sind kugelfest. Der untere Theil desselben ist sehr dauerhaft gearbeitet, besonders sind die Räder und die Deichsel sehr fest. Dies alles ist roth angestrichen und mit Gold verziert. Der Kasten ist so gehängt, daß er auch in den schlechtesten Wegen nicht leicht das Gleichgewicht verlieren wird. Das Innere ist zu verschiedenem Gebrauch eingerichtet. Es kann zu einem Schlafgemache, einem Ankleidezimmer, einem Eßzimmer, einer Küche u.s.w. gebraucht werden. Der Sitz hat eine Scheidewand erhalten, vielleicht aus Stolz, vielleicht der Bequemlichkeit wegen. Zugleich sind überall Behältnisse für alle mögliche Arten von Geräthen angebracht. Die Zeitungen haben schon früher bekannt gemacht, was sich alles in diesen Behältnissen gefunden hatte. Unter dem Sitze des Kutschers ist ein kleines Behältniß, welches eine Bettstelle von polirtem Stahl enthielt, die anderen zu einem Bette gehörigen Bedürfnisse fanden sich im Wagen selbst *. Außerdem ist noch ein Schreibepult angebracht, welches ausgezogen werden kann, so daß man selbst beim Fortgehen des Wagens zu schreiben im Stande ist. Für Landkarten, Teleskope u.s.w. sind gleichfalls überall Futterale befindlich. An der einen Wagenthüre sieht man Pistolenhalftern, worin geladene Pistolen aus der Versailler Fabrik waren. Die Fenster in den Thüren sind inwendig mit Blenden versehen, welche durch Federn aufgezogen werden können, so daß sie dann mit den Wagenseiten eine undurchdringliche Wand bilden. Auch die vordern Fenster sind auf ähnliche Art verwahrt. Die Pferde an dem Wagen waren von normännischer Race und brauner Farbe, und ziemlich stark und feurig."
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[* Captain Malel: "The exterior of this ingenious vehicle is of the form and dimensions of our large English travelling chariot, except that it has a projection in front of about two feet, the right-hand half of which is open on the inside to receive the feet, thus forming a bed, while the left-hand half contained a store of various useful things."]
Zwei Zeichnungen der "389" von Colonel Paul H. Downing, erschienen im Carriage Journal, Bd. 5, Nr. 1, New York 1967. - Montage, "1815" und Foto: PG.

Geschichte des Englischen Coupés im Achtzehnten Jahrhundert.
     Mindestens vier der sieben Coupés von Casanova waren Englische Post Chariots. In Großbritannien war dieser Wagentyp - auch Post Chaise genannt - der gebräuchlichste und bequemste Reisewagen, und auf dem Kontinent der vornehmste. Seine Entstehung und Weiterentwicklung im Verlauf des 18. Jahrhunderts soll hier kurz beschrieben werden, mit einem Ausblick auf die beiden folgenden Jahrhunderte. Auch möchte ich bei der Gelegenheit einmal fast alle noch vorhandenen und mir bekannten Fahrzeuge im Bild vorstellen.

   2     3 

    In England begann angeblich 1743 ein gewisser John Trull damit, Wagen für das Extra-Post-Reisen zu vermieten (Straus,p.170). Ein dafür geeigneter Wagen, die zweirädrige Chaise de Poste, wurde aus Frankreich eingeführt und blieb in modifizierter Form in Gebrauch. Bild 1 (nach C. Crace, 1750; Foto: Paul H. Downing) zeigt eine solche Chaise.
    Das aus dem 17. Jahrhundert stammende Karosscoupé (Bild 2; Foto: Achse, Rad und Wagen, Heft 1, 1991) wurde in England "Chariot" genannt (Bild 3; Illustration in einer 1740 erschienenen Ausgabe von Samuel Richardson's "Pamela", die in einem "travelling Chariot" entführt wird; Foto: Mary Goodwin). Der Wagen war zum schnelleren Extra-Post-Fahren zu schwer und sollte jetzt einem neuen Typ weichen.

    Es scheint, daß die "coachmaker" zunächst mit dem Fahrgestell der noch recht neuen Berline experimentierten. Jedenfalls weist eine auf etwa 1740 zu datierende Zeichnung darauf hin (Bild 4; Victoria & Albert Museum, London; Foto: PG). Die waagrecht angebrachten Stahlfedern kamen bald wieder außer Gebrauch. Höchst bemerkenswert aber der neue Coupékasten: Erstmals sehen wir eine klare Linienführung, die "typisch englisch" werden sollte. Die Seitenwände waren völlig gerade und nicht, wie in Frankreich üblich, bauchig gewölbt (und reich verziert). Die Hinterwand noch im Stile des Karossenkastens; die (vordere) Spritzwand weiter als bald üblich vorgezogen. Der hintere obere Kastenteil konnte zurückgeschlagen werden; es handelt sich also um ein Landaulet.

    Ich stellte fest, daß das Englische Coupé im 18. Jahrhundert in der Regel ein Fahrgestell mit nur einem Langbaum hatte, daß der Wagenkasten stets in vier Stahlfedern hing, und daß dieser - absolute Neuheit - mit zwei Frontscheiben ausgestattet war, die heruntergelassen werden konnten.

1749, Juli: Casanova kaufte sein erstes Post Chariot von Graf Dandini in Cesena.
1750, Januar: Er bekam von Henriette in Genf sein zweites.
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    Diese Eigenschaften finden wir bei der Lister Chaise, die um 1755 gebaut wurde - ältester noch vorhandener Wagen dieser Art (Bilder 5 [Lister Chaise im Hintergrund; Foto: PG] und 6 [Foto: Rosalind Westwood, Shibden Hall]).
    Soweit bekannt verließ sie nie Samuel Listers Stammsitz Shibden Hall in Halifax, heute ein volkskundliches Museum mit einer stattlichen Kutschensammlung (Bild 5 zeigt eine Post Chaise aus dem 19. Jhdt., einen Zigeunerwagen und im Hintergrund die Lister Chaise).
    Die Lister Chaise ist die erste moderne Kutsche und deshalb für die Geschichte nicht nur des Coupés von größter Bedeutung, sondern auch für die aller Stadt- und Reisewagen bis zum Aufkommen des Automobils.
    Der Wagen befindet sich im Originalzustand; der Kasten hängt zwischen vier Stahlfedern, die wohl als die ältesten überhaupt bezeichnet werden können (Bild 7: die Vorderfedern). Die beiden Front- und die Türfenster können heruntergelassen werden, wie auch die hölzernen Jalousien davor. Gebaut für den Gebrauch in Stadt und Land, nicht aber für das Fahren auf dem Kontinent, sind weder Fahrgestell noch Kasten auf einfache Art zerlegbar, wie es bei Casanovas Coupés der Fall war, die so auf Schiffen und über Alpenpässe transportiert werden konnten.

    Meine Datierung beruht auf Webleys Entwürfen von 1763, die eine identische Post Chaise enthalten (Bild 8), und auf dem Inventar von Shibden Hall aus dem Jahr 1766, wo der Wert der Lister Chaise mit nur 20 Pfund Sterling angegeben wird. Da wir über Casanova, Felton u.a. die Preise für Neuwagen kennen, in diesem Fall etwa 120 Pfund Sterling, muß die Lister Chaise mindestens zehn Jahre alt gewesen sein, als sie 1766 geschätzt wurde.
1760, November: Casanova kaufte sein drittes Post Chariot von einem Engländer in Pisa.
1762, August: Erwerb des vierten in Genf.
8 .
    1763 veröffentlichte der Londoner Wagenhersteller A. Webley seinen Katalog mit, unter anderen, "Post-Chariots" und "Post-Chaises", sehr realistischen Abbildungen, wie wir vom Vergleich mit der Lister Chaise wissen (Bild 8; eine Post Chaise wie die Lister; Foto: PG).
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    Zwei 1763 angefertigten Zeichnungen von Paul Sandby (Bilder 9 und 10; Fotos: Windsor Castle, Royal Library). Beide Fahrzeuge haben keinen Kutscherbock, es sind also Post Chaisen, im Unterschied zum Post Chariot, dem Coupé mit einem solchen.
    Der Wagen auf Bild 9 ist das ältere Modell, nach der gewölbten Rückseite des Kastens zu schließen (Karossen - Stil) und nach der hinteren Aufhängung an hölzernen Kipfen mittels Lederriemen, in die kleine Spiralfedern eingelassen sind. Vorne aber sind Stahlfedern, sogenannte whip springs, angebracht, wie bei dem anderen Wagen, der diese Federn auch hinten hat.
    Auf Bild 9 steht The Travelling Carriage of the Duke of Cumberland geschrieben, und an der Tür ist ein königliches Signet angebracht, ein W unter einer Krone. Es handelt sich wohl um William Augustus (1721 - 1765), den dritten Sohn von König Georg II., der bis 1757 Kommandeur der Britischen Truppen war (Casanova sah ihn auf einem Ball 1763 in London).

    Während Paul Sandby das Coupé des Herzogs von Cumberland schlicht "Reisewagen" nennt, können die Bezeichnungen Post-Chariot und Post-Chaise in Virginia seit 1756 nachgewiesen werden, wie aus den im Goodwin-Report gesammelten Briefen hervorgeht. Zunächst wurden sie alle aus London importiert, im letzten Viertel des Jahrhunderts aber auch in Amerika hergestellt.
    Ebenfalls aus Virginia kommt der erste schriftliche Nachweis der beiden Frontfenster. Am 10. November 1761 bestellte Robert Beverly ein Post Chariot bei Mr. Page, "coachmaker of London", wobei er u.a. verlangte: "Die Front soll in zwei Scheiben aufgeteilt sein, anstelle der üblichen einen" (Goodwin, S.clii).

1764, Mai: Casanova erwarb von General John Beckwith aus London, der in Wesel stationiert war, ein (Englisches?) Coupé.
1766, Juli: Graf Mosna-Mosczynski in Warschau schenkte Casanova eines seiner eigenen (Englischen?) Coupés.
11 .
    1768 wurde im Oxford Magazine das Coupé für den Prinzen von Mecklenburg Strelitz abgebildet (Bild 11;  Victoria & Albert Museum, London, Foto: PG), ein mit dem Post Chariot eng verwandtes Fahrzeug: ein Town- bzw. Dress- (Gala-) Chariot, mit dem repräsentativen Berlinen - Fahrgestell. Auch bei diesen Stadtcoupés war die Frontscheibe zweigeteilt; eine zunächst für das Reisen rein praktische Einrichtung hatte offenbar bereits eine gewiße zeremonielle Weihe erhalten.
* * * * * * * *
    Spätestens am Ende der sechziger Jahre sorgte das Englische Coupé in der anderen Hochburg des Wagenbaus, Paris, für Aufsehen. Der Wagenbaumeister und Autor André Jacques Roubo lehnt es als stil- und geschmacklos ab, muß ihm aber Fahrtüchtigkeit bescheinigen. Hier einige Auszüge aus seinem 1771 erschienenen Buch (Fettdruck von mir):
" (...) sie sind weniger gerundet und weniger hoch als unsere Diligences (..). Sie haben hinten durchaus keine Scheiben, und keine gekrümmten Streben, und die Frontscheibe ist für gewöhnlich in zwei Teile geteilt, die unabhängig voneinander hinabgleiten (...) Die Wagen à l'Anglaise sind gegenwärtig sehr in Mode, und ich weiß nicht recht warum, da sie weder eine schöne Form noch irgendeine Anmut besitzen, indem sie vielmehr einem mit mehreren Löchern durchbrochenen Behälter ähneln, als einem Wagenkasten; aber es genügt, daß die Erfindung dieser Wagen zu uns aus England kommt, damit jedermann einen hat oder einen haben will, als ob es irgendein Gesetz gäbe, das uns verpflichte, die knechtischen Nachahmer einer mit uns im Wettstreit liegenden Nation zu sein (...) Diese Wagen dürften (...) nur auf dem Lande gebräuchlich sein, angesichts ihrer großen Leichtigkeit und geringen Höhe, die sie für Schläge von der Seite weniger anfällig machen, als die anderen. Die Langbäume dieser Wagen sind immer durchgebogen, ob einfach oder doppelt, so daß der Kasten in Federn gehängt werden muß, und das erhöht die Weichheit [beim Fahren]."
12    13 
    Ein Vergleich mit dem Französischen Coupé (Bild 12) zeigt, worauf Roubos Äußerungen sich beziehen. In jenen Jahren, also zu Beginn der Siebziger, wurden in Paris viele Entwürfe der Diligence à l'Anglaise verbreitet, u.a. von Chopard und Poilly. Mehrere noch unveröffentlichte kolorierte Stiche fand ich im Musée de la Voiture et du Tourisme in Compiègne (Bild 13: N.J.B. de Poilly, Diligence Angloise coupée ou Birouche; Foto: PG).
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    Zur gleichen Zeit (1770) hielt sich Bernardo Bellotto in Warschau auf und fertigte zahlreiche Ansichten dieser Stadt an, auf denen, neben den städtischen Berlinen-Coupés und anderen Fahrzeugen, recht oft auch Englische Coupés zu sehen sind.
1770, September: Casanova kaufte in Salerno ein "schönes und bequemes (Englisches?) Coupé".
14 
    1774 kam in London eine weitere Stichfolge von Wagenentwürfen heraus, der "Currus Civilis" von Isaac Taylor. Seine Post Chaise (Bild 14; Foto: P. H. Downing) weist gegenüber den elf Jahre zurückliegenden Entwürfen von Webley kaum eine Veränderung auf.
15 
    Vom gleichen älteren Stil geprägt ist auch der Wagenkasten der Diligence à l'Anglaise, die als ein Prachtstück der Sammlung gleich in der Eingangshalle des Musée de la Voiture et du Tourisme in Compiègne bewundert werden kann (Bild 15; Foto: PG). Der Coupékasten ist daher mit "um 1775" zu datieren. Problematisch bleibt vielleicht die Bestimmung des zweibäumigen Fahrgestells: Es könnte etwas jünger sein, obwohl nur sieben Jahre später die Entstehung eines praktisch identischen Fahrgestells für das nächste Coupé verbürgt ist.
16 
    Das John Brown Chariot (Bild 16; Foto: The Carriage Journal, Vol.5, No.2, 1967) wurde von Quarrier & Hunter, Philadelphia, gebaut, und am 6. April 1783 an den in Providence, Rhode Island, wohnenden Namengeber ausgeliefert. Es befindet sich heute im Besitz der Rhode Island Historical Society in Providence. Die Ähnlichkeit mit dem Wagen in Compiègne ist groß, nur daß hier die für Stadtcoupés typischen hinteren Seitenfenster vorhanden sind, und insbesondere fällt auf, daß der Kasten so hochhängt. Zweifellos ist letzterer Umstand zweckmäßig für das Durchqueren von Bach- und Flußläufen, oder es war einfach Mode geworden. Jedenfalls, von jetzt an hängen die Kästen meistens höher, konnten aber natürlich bei Bedarf heruntergelassen werden. Die überlieferte Geschichte des John Brown Chariots zeigt, daß es sowohl in der Stadt als auch zu weiten Reisen benutz wurde.
[1783, November: für ihre Fahrt nach Wien kauften die Brüder Giacomo und Francesco Casanova in Paris eine Reisekutsche; sicherlich entsprach auch dieser Wagen der nun allgemein üblichen Stilrichtung "à l'anglais".]
17 
    Hoch aufgehängte Wagenkasten finden wir bei fast allen Fahrzeugen, die der Londoner Coachmaker William Felton in seinem 1794 - 1796 erschienen grundlegenden Werk "A Treatise on Carriages" abgebildet hat. Als Beispiel mag das Landaulet in offenem Zustand dienen (Bild 17; Foto: P. H. Downing).
18  . . 19 
    Ich hatte das Glück, in Italien ein weiteres "überlebendes" Post Chariot zu finden: das Felissent Coupé im Museo delle Carrozze der Villa Manin in Passariano, bei Codroipo / Friaul (Bilder 18 & 19; Fotos: PG). Es wird dort mit 1795 datiert, was mit Feltons Konstruktionsplänen übereinstimmt. Wir finden hier zum ersten Mal C-Federn an einem Wagen, die zu jener Zeit viel seltener montiert wurden als F- oder S-Federn (vgl. "Stahlfedern"). Im 19. Jahrhundert wurden sie dann aber sehr gebräuchlich, wie die Bilder 24, 25 und 26 zeigen.
* * * * 19. Jahrhundert * * * *
20 
    Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Englische Coupé überall sehr bekannt. Thomas Rowlandson zeigte die einfache Post Chaise auf Dutzenden seiner Zeichnungen (Bild 20; "The White Hart Inn, Bagshot"; Foto: J. Jobé, S. 98).
21 
    Ein State Chariot mit C-Federn. Es gehörte Graf Magnus Friedrich Brahe, der es 1811 in Paris benutzte. Berlinen-Fahrgestell mit Schwanenhälsen. Heute in den Livrustkammaren, Stromsholm, Schweden (Bild 21; Foto: Bernd Eggersglüß).
22  . . 23 
    Zu diesem Typ gehört auch ein bildschönes Chariot, das im Jahre 1812 beim Generalgouverneur von Java, Stamford Raffles, eintraf. Es war von T. Muers, London, hergestellt worden (Bilder 22 und 23; Fotos: Achse, Rad und Wagen, Heft 1, 1991). Das während der Renovierung aufgenommene Foto (22) zeigt die Konstruktion des Kastenoberteils.
24 
    Das Wythe Chariot, eine Post Chaise der Colonial Williamsburg Foundation in Virginia, datiert mit 1820, hat noch die bewährten S-Federn (Bild 24; Foto: Paul H. Downing). Wie der Wagen von 1740 (hier Bild 4) ist es ein "halbes" Landaulet, das heißt, nur der rückwärtige Teil des Kasten-Oberteils konnte umgelegt werden.
25 
    Ein weiteres Beispiel eines Coupés des 19. Jhdts.: das edle Travelling Chariot der Baskerville in Clyro, Powys (Bild 25; Foto: Wollaton Park Industrial Museum, Nottingham).
26 
    Ein Englisches Coupé aus Deutschland (Schild: "Friedrich Braun, Wagenfabricant, Hessen Cassel"). Gemacht für Prinz Emil zu Bentheim-Tecklenburg (Westfalen) um 1825 (Bild 26; Foto: Bentheim - Tecklenburg).

    Ob in Schweden (Bild 21), in Polen (Bellottos Ansichten von Warschau), in Frankreich (13, 15), in Italien (18, 19), in den USA (16, 24), in Südost-Asien (22, 23), oder in Hessen - überall in der Welt wurden Coupés nur noch im englischen Stil gebaut.

* * * * 20. Jahrhundert * * * *
27 
    Die Geschichte des Englischen Coupés hört mit dem 19. Jahrhundert noch nicht auf. Der Rolls Royce von 1909 (Bild 27; National Science Museum, London; Foto: PG) gehört zur ersten Generation von Automobilen mit einem geschlossenen Wagenkasten. Man baute aber nicht irgendeinen, sondern nahm den des Post Chariots zum Vorbild, mit den zwei Frontscheiben und anderen typischen Merkmalen. Der Fahrer mußte noch - wie die Kutscher - im Freien sitzen.
28 
    Die zweigeteilte Frontscheibe wurde auch später noch als Stilelement im Autobau eingesetzt: hier z.B. ein Jaguar Sportcoupé XK 140 (Bild 28; Foto: ADAC Motorwelt 8/93) während der Mille Miglia 1993 für Oldtimer von Brescia nach Rom.

Fortsetzung: Casanovas Wagen (Teil VI).

Copyright by Pablo Günther, Hergensweiler 2002.

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