DIE CASANOVA TOUR
von Pablo Günther

( InhaltTeil VI:
REISEWAGEN - (Teile III,  V  - VIII ) - Casanovas Wagen (1)  - Liste von Casanovas Wagen - 1. Cesena - 2. Genf 1 - 3. Paris 1 - 4. Paris 2 - 5. Zürich - 6. Pisa - 7. Aachen  -  (Fortsetzung: Teil VII)

Casanovas Wagen.
( C 1 - C 17 )
 Die Lister Chaise (Foto: PG)
    Casanova war meistens so wohlhabend, daß er sich eigene - wenn auch stets nur gebrauchte - Wagen leisten konnte. Zwischen 1749 und 1791 besass er 17 Reisewagen und (in Paris 1758-59) zwei Stadtwagen. Diesen Umstand in aller Ausführlichkeit einer Autobiographie entnehmen zu können ist absolut einzigartig - Casanova muss daher als der erste grosse Privatwagenfahrer der Geschichte, von dem wir alle Einzelheiten kennen, bezeichnet werden. Und somit wäre der weltbekannte Schürzenjäger auch der Ahnherr von uns Autofahrern... Jedenfalls liebte er seine Wagen und genoss das Fahren damit, sogar das "Schnellfahren".
Liste von Casanovas Wagen:
Nr. Name* ..... Jahr ... Räder/Sitze ...... Typ ........................... Kilometer
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[* Entspricht der Stadt, wo die Kutschen - alle gebraucht - gekauft wurden.]

I. Reisewagen von 1749 bis 1772:
  7 Coupés, 4 Chaises de Poste, 1 offener Wagen, 1 Berline (?), 1 Schlafwagen.
  Die Englischen Coupés (post chariots): 36,6 % oder 8.160 km von 22.265 km insgesamt.
 C 1   Cesena ....... 1749 ... 4/2 ..... Englisches Coupé ......................... 985
 C 2   Genf 1 ....... 1750 ... 4/2 ..... Englisches Coupé ......................... 755
 C 3   Paris 1 ....... 1757 ... 2/1 ..... Chaise de Poste .......................... 1,505
 C 4   Paris 2 ....... 1759 ... 2/1 ..... Chaise de Poste .......................... 1,120
 C 5   Zürich ........ 1760 ... 4/4 ..... Offener Wagen ........................... 1,800
 C 6   Pisa ........... 1760 ... 4/2 ...... Englisches Coupé ..................... 4,340
 C 7   Aachen ...... 1762 ... 4/4 ...... Geschl. Wagen (Berline?) .............. 155
 C 8   Genf 2 ....... 1762 ... 4/2 ..... Englisches Coupé ...................... 2,080
 C 9   Lyon .......... 1763 ... 2/1 ..... Chaise de Poste, "Solitaire" ......... 1,215
C 10  Wesel ........ 1764 ... 4/2 ..... Coupé ......................................... 610
C 11  Riga ........... 1764 ... 4/2 ..... Schlafwagen .............................. 3,250
C 12  Warschau ... 1766 ... 4/2 ..... Coupé ...................................... 2,835
C 13  Paris 3 ....... 1767 ... 2/1 ..... Chaise de Poste ............................ 755
C 14  Salerno ...... 1770 ... 4/2 ..... Coupé ......................................... 860
.................................................................................................................Summe: 22,265
II. Zwei Stadtwagen in Paris: 1758 - 1759. Nicht genau bestimmbar; daher
    keine Aufnahme in die nummerierte Liste.
III. Reisewagen ab 1773:
C 15  Innsbruck .. 1783 .. 4/2 ..... Reisechaise, "sedia da posta" .......... 560
C 16  Paris 4 ...... 1783 .. 4/4 ..... Reisewagen, "carrozza" ............... 1,360
C 17  Dux .......... 1786 .. 4/2 ..... Reisewagen, "voiture" ................. 2,950


I. Seine Reisewagen von 1749 bis 1772.
C 1  Das Englische Coupé "Cesena"
Nannte Casanova: voiture anglaise.
Dieses Post Chariot entspricht höchstwahrscheinlich Casanovas voiture anglaise. Es ist ein konvertibles Coupé, ein sogenanntes Landaulet, bei dem der obere Teil des Wagenkastens umgelegt und vermutlich auch abgenommen werden konnte. - Wagenkatalog von A. Webley, London, 1763. Foto: PG.
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Möglicher Hersteller: Robert Holly*, Coachmaker, London.
Typ: Post Chariot.
Modell: "GT" (Grand Tourisme; kann zerlegt werden für den Transport  zu Schiff oder über Alpenpässe).
Ausstattung: 1 Klapp- oder Notsitz.
Neupreis (nach Casanova): 180 Guineas (43.200 Pence (d.)).
Reisegeschwindigkeit: Parma - Mont Cenis - Genf: 110 km/Tag (mit  Übernachtungen).
Vorbesitzer: Graf Dandini, aus Cesena, Kirchenstaat.
Kaufpreis: 200 röm. Zechinen (21.600 d.) incl. Überholung.
Strecke: 985 km. Cesena - Parma - Mailand - Parma - Turin - Mont Cenis-Pass - Genf.
Zeit: Juli 1749 - Januar 1750.
Nachbesitzer: Henriette, in Genf.
Verkaufspreis: Tausch gegen ihr Coupé ("Genf 1").
Weiterfahrt: nach Lyon (und vielleicht Aix-en-Provence).
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* Dieser und die folgenden "möglichen Hersteller" werden im Goodwin-Report erwähnt. Sie alle wanderten von London nach Virginia aus, nachdem Casanovas Coupés gebaut waren. So möchte ich an vergessene "London coachmakers" erinnern.
Konvertibles Coupé (Post Chaise), das Dach zurückgelegt, die Tür- und Frontfenster heruntergelassen, der Rahmen der Frontscheiben nach vorne geklappt. - A. Webley, London 1763. Foto: PG.
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Was Casanova im Zusammenhang mit seinen Reisewagen erzählt:
In chronologischer Reihenfolge. Kursiv- und Fettdruck, Bemerkungen / Übersetzungen
zwischen [ ] sind von mir. Originalzitate: [" "].
Zitate nach der 2001 - Ausgabe der "Geschichte meines Lebens" (identisch mit Propyläen).
In Cesena, einer Stadt zwischen Bologna und Rimini (Foto unten), trifft Casanova mit Henriette zusammen:
(GmL. Bd. 3 / Kapitel II / Seite 50 ff.) Ihre Eroberung schien mir nicht schwierig, und ich sann auf Mittel, die ich dafür einsetzen konnte.(...).
Ich fragte den Offizier [und Begleiter von Henriette], ob er mit der Postkutsche oder mit einem eigenen Wagen nach Parma zu reisen gedenke. Er antwortete, er wolle, da er keinen eigenen Wagen habe, lieber mit der Postkutsche fahren.
"Ich habe einen sehr bequemen," sagte ich, "dessen zwei rückwärtige Sitze ich Ihnen anbiete, wenn Ihnen meine Gesellschaft nicht unangenehm ist." (...).
Es handelte sich um einen Wagen, den ich einstweilen erst in der Phantasie besaß. Ich ging sogleich in das Caffè della Nobiltà, und fragte, wo ein guter Wagen verkäuflich sei. Man sagte mir, beim Grafen Dandini sei ein englischer Wagen ["voiture anglaise"] zu haben, den niemand kaufen wolle, weil er zu teuer sei. Man verlange zweihundert Zechinen dafür, er habe aber nur zwei Plätze und einen Klappsitz. Das war, was ich wollte. Ich ließ mich zur Remise führen und fand ihn nach meinem Geschmack. Da der Graf zum Abendessen in die Stadt gefahren war, versprach ich, den Kauf am nächsten Tag abzuschließen, und kehrte sehr befriedigt in den Gasthof zurück. Beim Abendessen sprach ich mit dem Offizier nur, um zu vereinbaren, daß wir am folgenden Tag nach dem Mittagessen abreisen würden und jeder von uns zwei Pferde bezahlen sollte.(...).
Am folgenden Tag ging ich in aller Frühe zum Grafen Dandini.(...) Ich kaufte den Wagen, der ursprünglich das Doppelte gekostet haben mußte, und zwar unter der Bedingung, daß man sogleich einen Sattler holen lasse, der ihn mir um ein Uhr mittags in tadellosem Zustand vor die Tür des Gasthofes stellen sollte.(...).
Wir speisten, ließen unsere Koffer aufladen und gut festbinden, und nach einem höflichen Streit über den Platz neben Henriette, den er mir aufdrängen wollte, fuhren wir ab. Er erkannte nicht, daß ich in meiner aufkeimenden Verliebtheit den Platz auf dem Klappsitz dem seinen vorziehen mußte; aber ich zweifelte nicht, daß Henriette sich darüber völlig klar war. Wenn ich ihr gegenüber saß, hatte ich sie vor Augen, und ich brauchte meinen Kopf nicht zur Seite zu wenden, um mir diese Freude zu verschaffen, die sicherlich von allen, die man einem Liebenden nicht versagen kann, die größte ist.
Da an meinem Wagen etwas gerichtet werden mußte, hielten wir in Forli an.
Cesena, Piazza del Popolo. Rechts sieht man den Schatten des Rathauses. Das Gebäude über dem Brunnen war das Gasthaus zur Post (Ecke Via Zeffirino), wo Casanova wohnte und Henriette traf. - Foto: Tab Cart, Forli.
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Einige Monate später begleitet Casanova Henriette von Parma nach Genf :
(3/V/108ff.) Bei Einbruch der Dunkelheit fuhren wir von Parma ab und unterbrachen unsere Reise in Turin nur für zwei Stunden, um einen Diener zu nehmen, der uns bis Genf behilflich sein sollte. Tags darauf gelangten wir in Trägersänften auf den Mont Cenis und auf Schlitten hinunter nach Lanslebourg*. Am fünften Tag erreichten wir Genf, wo wir im Hotel "A la Balance" abstiegen.(...).
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[* Casanova verwechselte die Richtung und schrieb irrtümlich "Novalesa".]
.
Ich brach das Schweigen, um ihr zu sagen, daß der von [Bankier] Tronchin beschaffte Wagen unmöglich bequemer sein könne als der meine und daß es mir deshalb lieb wäre, wenn sie ihn behielte und mir dafür den des Bankiers überließe. Damit war sie einverstanden.(...).
Im Morgengrauen brach sie auf; ihre Reisebegleiterin hatte sie neben sich, ein Diener saß auf dem Kutschbock, und der andere ritt voraus. Ich folgte dem Wagen mit den Blicken, und erst als ich ihn längst aus den Augen verloren hatte, kehrte ich in unser Zimmer zurück. Dem Kellner verbot ich, in mein Zimmer zu kommen, bevor die Pferde von Henriettes Wagen zurück seien.(...).
Der Postillon kam erst am folgenden Tag aus Chatillon zurück. Er übergab mir einen Brief Henriettes, der nur ein einziges Wort enthielt: 'Adieu'. Er berichtete, sie habe keinerlei Unfall gehabt und ihre Reise in Richtung Lyon fortgesetzt.


C 2  Das Englische Coupé "Genf 1"
Nannte Casanova: voiture.
Hier eine englische Post Chaise, ohne Kutscherbock, mit vier Stahlfedern.  Zeichnung von Paul Sandby, 1763. - Foto: Windsor Castle, Royal library.
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Möglicher Hersteller: Christopher Reeves, Coachmaker, London.
Typ und Modell: wahrscheinlich, wie der Wagen zuvor, ein Post Chariot "GT".
Vorbesitzer: Henriette, in Genf.
Vermittler: Bankier Tronchin, Genf.
Kaufpreis: unbekannt; Tausch gegen den Wagen "Cesena".
Strecke: 755 km. Genf - Evian - Gr.St.Bernhard-Pass - Aosta - Turin - Parma - Bologna - Fusina (Venedig).
Zeit: Januar bis Februar 1750.
Nachbesitzer: N.N.
Letzter Standort: Fusina.
 Henriette fort, Casanova allein in Genf :
(3/V/110) Am folgenden Tag reiste ich mit einem Diener, den Monsieur Tronchin mir verschafft hatte, nach Italien ab. Trotz der schlechten Jahreszeit nahm ich den Weg über den [Großen] Sankt Bernhard und überquerte ihn in drei Tagen mit sieben Maultieren, die wir für uns, meinen Koffer und den Wagen brauchten, der für meine Geliebte [Henriette] bestimmt gewesen war.
Wieder in Parma:
(112) Ich schloß die Tür auf und legte mich wieder ins Bett. "Ein Fremder," teilte er [de la Haye] mir mit, "der einen Wagen braucht, möchte den Ihren kaufen."
"Ich will ihn nicht verkaufen."
(3/VI/124) Zwei oder drei Tage später fuhr ich nach Ferrara, und von dort über Rovigo, Padua und Fusina, wo ich meinen Wagen ließ, nach Venedig.


C 3   Die Chaise de Poste "Paris 1"
Nannte Casanova: chaise de poste.
 "Chaise de Poste à L'Écrevisse". - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
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Hersteller: N.N.; in Frankreich.
Typ: Chaise de Poste (zweirädrig, für eine Person).
Reisegeschwindigkeit: 1. Paris - Dünkirchen: 90 km/Tag.
 2. Paris - Antwerpen: 175 km/Tag.
Vorbesitzer u. Kaufpreis: unbekannt.
Strecke: 1.505 km. Paris - Amiens - Dünkirchen - Paris - Cambrai - Brüssel - Amsterdam - Paris.
Zeit: August 1757 bis Januar 1759.
Nachbesitzer: N.N.
Reise von Paris nach Amsterdam im Oktober 1758:
(5/VI/157) Zwei Stunden vor meiner Ankunft in Amsterdam begegnete ich mit meiner zweirädrigen Chaise de Poste, auf der hinten mein Diener saß, einer vierrädrigen Kalesche, die gleich der meinen mit zwei Pferden bespannt war, und in der sich ein Herr mit seinem Diener befand. Der Kutscher des vierrädrigen Wagens verlangte, daß der meine ihm Platz mache; der meine erwiderte, daß er mich dann in den Graben kippen würde, aber der andere gab nicht nach. Ich wandte mich an den Besitzer, einen hübschen jungen Mann, und ersuchte ihn, er möge befehlen, mir Platz zu machen.
"Ich reise mit der Post, Monsieur, und außerdem bin ich Ausländer."
"Monsieur, in Holland genießt die Post keinen Vorrang, und Sie werden zugeben müssen, daß Sie als Ausländer keine höheren Ansprüche stellen können als ich, der ich hier zu Hause bin."
Auf diese Worte hin stieg ich aus; bis zu den halben Stiefeln im Schnee stehend und mit dem blanken Degen in der Hand forderte ich den Holländer auf, auszusteigen oder mir Platz zu machen. Er antwortete mir lächelnd, er habe keinen Degen; außerdem würde er sich nicht aus einem so lächerlichen Grunde schlagen. Er sagte, ich solle wieder einsteigen, und machte mir Platz.


C 4   Die Chaise de Poste "Paris 2"
 Nannte Casanova: chaise de poste.
"Chaise de Poste à Cul de Singe". - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
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Hersteller, Typ, Vorbesitzer, Preis: Wie "Paris 1".
Strecke: 1.120 km. Paris - Cambrai - Brüssel - Amsterdam - Kleve -  Köln - Worms - Heidelberg - Stuttgart.
Zeit: September 1759 bis April 1760.
1. Nachbesitzer: Der Wirt des Gasthofs "Zum Bären" in Stuttgart.
Verkaufspreis: unbekannt; zur Bezahlung der Hotelrechnung.
2. Nachbesitzer: Der Wiener Gesandte in Stuttgart,
 Meinhard Friedrich Ried, Freiherr von Collenberg.
 Abreise von Paris nach Amsterdam im September 1759:
(5/XI/296f.) Ich verkaufte meine Pferde, meine Wagen und alle Möbel (...).
Mit hunderttausend Francs in Wechseln [1.000.000 d.] und ebensoviel in Schmuck, reiste ich allein in meiner Chaise de Poste ab; voraus zu Pferd Leduc, der gern in vollem Galopp ritt. Er war ein Spanier, achtzehn Jahre alt, und ich schätzte ihn, weil niemand besser frisierte als er. Ein Schweizer Lakai, ebenfalls beritten, diente mir als Kurier. (...) Ich nahm mir das Buch 'De l'Esprit' von Helvétius in den Wagen mit, das zu lesen ich noch nicht Zeit gehabt hatte.
Abreise von Amsterdam nach Deutschland im Februar 1760; Straßenräuber vor Köln:
(6/II/49f.) So reiste ich also in meiner Chaise de Poste ab, die ich aus Moerdijk nachkommen ließ (...). Den Schweizer Lakaien, mit dem ich gekommen war, schickte ich nach Paris zurück und nahm nur Leduc auf dem Rücksitz mit. (...).
In Utrecht hielt ich mich nur einen Tag auf, um den Ort [Zeist] zu sehen, der den Herrnhutern gehörte, und am übernächsten Tag kam ich mittags in Köln an; aber eine halbe Stunde vorher legten fünf desertierte Soldaten, drei rechts und zwei links, ihre Gewehre auf mich an und verlangten meine Börse. Mein Postillon gab, von mir mit der Pistole in der Hand bedroht, dem Pferd die Sporen; die Wegelagerer schossen auf mich, trafen aber nur den Wagen. Sie waren nicht so gescheit, auf den Postillon zu schießen. Hätte ich, wie die Engländer, zwei Börsen bei mir gehabt, von denen die leichtere für beherzte Räuber bestimmt ist, hätte ich sie diesen Elenden hingeworfen; aber da ich nur eine einzige wohlgefüllte besaß, wagte ich mein Leben, um sie zu retten. Mein Spanier wunderte sich, daß ihn die Kugeln, die er an seinem Kopf vorbeipfeifen hörte, nicht trafen.


C 5   Der Offene Wagen "Zürich"
 Von Casanova genannt: voiture ouverte.
Dieser offene viersitzige Reisewagen schmückt eine österreichische Post-Karte aus dem Jahre 1782. - Foto: PG.
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Hersteller: N.N., Schweiz.
Typ: Vierrädriger Wagen mit je 2 Sitzen gegenüber.
Reisegeschwindigkeit: Marseille - Toulon: 12 km/h.
Vermittler: Mathias Ott, Wirt des Gasthofs "Zum Schwert" in Zürich.
Kaufpreis: unbekannt.
Strecke: 1.800 km. Zürich - Luzern - Bern - Solothurn - Lausanne - Roche - Genf - Chambéry - Grenoble - (Schiff: Grenoble - Avignon) - Avignon - Valence - Grenoble - Genf - Valence - Avignon - Marseille - Toulon - Antibes.
Zeit: Mai 1760 bis April 1763. War von Oktober 1760 an in Antibes untergestellt; Monatsmiete: 6 Francs (60 d.), so daß schließlich 180 Francs (1.800 d.) zusammenkamen.
1. Nachbesitzer: Der Mann, der den Wagen in Verwahrung hatte.
2. Nachbesitzer: Giacomo Passano.
Kaufpreis: 4 Louis d'Or (960 d.). Geschenk von Casanova.
Instandsetzungskosten: 1 Louis d'Or.
Weiterfahrt: Nach Lyon über Marseille.
 In Zürich gab es nur offene Kutschen:
(6/IV/105f.) [Casanova zu Leduc:] "Sage dem Wirt, ich möchte einen Wagen, der mir für zwei Wochen jeden Tag zur Verfügung steht, außerdem einen guten Lohndiener."
Der Wirt, der Ott hieß und den Titel eines Hauptmanns führte, kam persönlich, um mir zu sagen, daß es in Zürich nur offene Wagen gebe; damit fand ich mich ab.
(6/V/118) Kaum hatte ich Zürich verlassen, mußte ich in Baden anhalten, um den Wagen ausbessern zu lassen, den ich gekauft hatte.
In Grenoble:
(7/III/85)   (...) kam der Hausmeister herauf, um mir mitzuteilen, es wäre für mich günstiger, auf dem Wasserwege mit einem bequemen Boot, auf dem ich auch meinen Wagen unterbringen könnte, nach Avignon zu reisen; das sei auch viel billiger. (...).
Auf dem Boot schlief ich ein; man weckte mich erst in Avignon und geleitete mich zum Gasthof Saint-Omer.
In Antibes:
(7/IV/135) In dieser Stadt mietete ich eine Feluke nach Genua, und da ich die Absicht hatte, auf dem gleichen Wege wieder nach Frankreich zurückzukehren, ließ ich meinen Wagen in einem Schuppen einstellen, für den ich schriftlich eine monatliche Miete von sechs Francs [60 d.] vereinbarte."
Wieder in Antibes, nach zweieinhalb Jahren:
(9/II/83f.) Gerade als ich mich anschickte, Postpferde zu bestellen, um zur Nacht in Fréjus zu sein, erschien ein Mann und behauptete, ich schulde ihm zehn Louis [2.400 d.; 80 d. pro Monat] für die Unterstellung eines Wagens, den ich vor fast drei Jahren bei ihm gelassen hätte. Ich erinnerte mich augenblicklich, daß das damals gewesen war, als ich Rosalie aus Marseille entführt hatte. Da der Wagen schlecht und keine fünf Louis wert war, begann ich zu lachen und erwiderte, er möge ihn als Geschenk betrachten. Er sagte darauf, er wolle von mir kein Geschenk, er wolle seine zehn Louis. (...).
Da ich einen Wagen für Passano und meinen Bruder [Gaetano] brauchte, dachte ich, das Streitobjekt könnte ihnen von Nutzen sein. Passano ging hin, um ihn sich anzusehen und fand ihn in einem erbärmlichen Zustand; er erwarb ihn für vier Louis, und ich gab noch einen weiteren aus, um ihn für die Fahrt nach Marseille instandzusetzen. Ich konnte erst am Nachmittag abreisen.


C 6   Das Englische Coupé "Pisa"
 Nannte Casanova: voiture anglaise.
Die "Lister Chaise" des Shibden Hall Museums in Halifax / England. Gebaut um 1755. Dieser Typ (Post Chaise), aber mit einem Kutscherbock (dann Post Chariot genannt), entspricht weitgehend Casanovas Englischen Coupés. - Foto: Rosalind Westwood, Shibden Hall Museum.
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Möglicher Hersteller: Mr. Page, Coachmaker, Lincoln's Inn Fields, London.
Typ, Modell: Post Chariot "GT".
Ausstattung: 1 Klappsitz für 2 Personen.
Reisegeschwindigkeit: Lyon - Paris: 7,5 km/h (180 km/Tag). Florenz - Rom: 7,8 km/h (280 km in 36 St.).
Vorbesitzer: Ein Engländer, in Pisa.
Kaufpreis: unbekannt.
Strecke: 4.340 km. Pisa - Florenz - Rom - Neapel - Rom - Florenz - Bologna - Turin - Mont Cenis - Lyon - Paris - Straßburg - München - Augsburg - Konstanz - Basel - Chaumont - Paris - Metz - Nancy - Paris (Pontcarré).
Zeit: November 1760 - April 1762.
Nachbesitzer: vermutlich Madame d'Urfé.
Letzter Standort: Pontcarré (Schloß von Mme d'Urfé, bei Paris).
Kauf eines weiteren Englischen Coupés:
(7/VII/189) Am nächsten Tag fuhr ich vor dem Mittagessen nach Pisa in den Gasthof 'Zum Husaren' und blieb dort zwei Tage. Von einem Engländer kaufte ich einen sehr hübschen zweisitzigen Wagen, der außerdem noch einen Klappsitz für zwei Personen hatte. Dieser Engländer führte mich auch bei der berühmten Dichterin Corilla ein, die ich gern kennenlernen wollte.
Abreise von Rom im Dezember 1760:
(7/IX/253) Nach einem guten Frühstück und einem zärtlichen Abschied von meinem Bruder [Giovanni] reiste ich am nächsten Tag in meinem schönen Wagen ab, zusammen mit Abate Alfani. [Mein Diener] Leduc ritt uns voraus. Ich kam zu einem Zeitpunkt nach Neapel, als in der ganzen Stadt Aufregung herrschte, weil der Verderben bringende Vulkan mit einem Ausbruch drohte. Bei der letzten Station [Aversa] ließ mich der Postmeister das Testament seines Vaters lesen.
Der große "Raubüberfall" auf der Poststraße von Neapel nach Rom im Januar 1761:
(7/X/283ff.) Nachdem ich die Dienerschaft des Herzogs großzügig entlohnt hatte, reiste ich ab, wie ich angekommen war. Der Edelmann begleitete mich noch bis zum Schlag meines Wagens; drei oder vier Jahre später ist er gestorben.
Kapitel XI. Mein Wagen bricht zusammen.
Mein Spanier [Leduc] ritt voraus, Don Ciccio Alfani saß neben mir, und ich schlief in dem ausgezeichneten, mit vier Pferden bespannten Wagen tief, als ich plötzlich durch einen heftigen Stoß erwachte. Man hatte zu Mitternacht auf der großen Straße gerade hinter Francolise, vier Meilen vor Sant'Agata [vierte Poststation von Neapel kommend; Post von Sessa Aurunca], den Wagen umgeworfen. Alfani unter mir schrie vor Schmerzen und glaubte, er hätte den linken Arm gebrochen, was sich aber später nur als Verrenkung herausstellte. Leduc war umgekehrt und berichtete, die beiden Postillone seien geflüchtet; sie würden vielleicht Straßenräuber herbeiholen.
Ich kletterte ohne Mühe durch die Türe über mir aus dem Wagen; aber der alte Alfani konnte mir mit seinem verletzten Arm nicht folgen und mußte herausgehoben werden. Wir brauchten eine Viertelstunde dazu. Sein durchdringendes Geschrei brachte mich zum Lachen, denn er spickte seine törichten Gebete an seinen Beschützer, den heiligen Franz von Assisi, mit wunderlichen Flüchen.
Ich selbst war es schon gewohnt, mit dem Wagen umzustürzen, und so hatte ich mich nicht verletzt. Das liegt nur an der Haltung. Don Ciccio hatte sich vielleicht deshalb den Arm verletzt, weil er ihn hatte hinaushängen lassen [aus dem Türfenster].
Ich holte aus dem Wagen meine langläufigen Pistolen, da ich nur kurze in der Tasche hatte, meinen Karabiner und meinen Degen. Leduc befahl ich, sein Pferd wieder zu besteigen und bewaffnete Bauern aus der Umgebung gegen Geld zu holen. Inzwischen legte sich Don Ciccio stöhnend auf den harten Boden und war vollkommen außerstande, sich der Diebe zu erwehren; ich machte mich also ganz allein bereit, ihnen mein Geld und mein Leben so teuer als möglich zu verkaufen. Da mein Wagen neben dem Graben lag, spannte ich die vier Pferde aus, band sie im Halbkreis rings um die Räder und die Deichsel und stellte mich mit meinen fünf Feuerwaffen hinter sie.
In dieser verzweifelten Lage mußte ich doch über den armen Alfani lachen, der ebenso röchelte wie ein sterbender Delphin am Meeresstrand, und der die schauerlichsten Verwünschungen ausstieß, als es einer Stute, die mit der Kruppe zu ihm stand, einfiel, ihre Blase auf ihn zu entleeren. Da half nichts; er mußte den ganzen übelriechenden Regen über sich ergehen lassen und mir mein Gelächter verzeihen, das ich nicht zu bezähmen vermochte.
Die Dunkelheit der Nacht und ein starker Nordwind machten meine Lage noch verdrießlicher. Beim geringsten Geräusch, das ich hörte, rief ich 'Wer da' und bedrohte jeden mit dem Tod, der sich mir zu nähern wagte. Ich mußte zwei volle Stunden in dieser tragikomischen Situation ausharren.
Endlich kam Leduc in gestrecktem Galopp und mit lautem Geschrei, gefolgt von einer Schar Bauern, die mit ihren Laternen zu meiner Hilfe herbeieilten. Es waren zehn oder zwölf, alle mit Gewehren bewaffnet und bereit, meinen Anweisungen zu gehorchen.
In weniger als einer Stunde war der Wagen wieder auf die vier Räder gestellt, man spannte die Pferde an und setzte Don Ciccio auf seinen alten Platz. Ich entließ die Bauern reich entlohnt und behielt nur zwei, die mich als Kutscher im Morgengrauen zur Post von Sant'Agata brachten. Dort machte ich einen Heidenlärm.
"Wo ist der Postmeister? Hole mir einer rasch einen Notar, denn man muß sofort ein Protokoll aufnehmen. Ich beanspruche eine Entschädigung; und die Postillone, die mich auf einer ausgezeichneten Straße umgeworfen haben, was sie unmöglich ohne Absicht getan haben können, müssen wenigstens zu den Galeeren verurteilt werden."
Ein Stellmacher erschien, untersuchte meinen Wagen und fand, daß eine Achse gebrochen war. Er müsse eine neue anfertigen; deshalb müsse ich wenigstens einen Tag bleiben.
Ohne mir etwas zu sagen, ging Don Ciccio, der einen Wundarzt brauchte, zum Marchese Galiani, den er kannte; dieser kam persönlich, um mich zu bitten, ich solle bei ihm wohnen, bis mein Wagen wieder instandgesetzt war. Ich nahm seine Einladung an. Er befahl sogleich, daß man meinen Wagen in sein Kutschenhaus stellen solle. (...).
Nach dem Abendessen verabschiedete ich mich von allen und reiste bei Tagesanbruch ab, um am nächsten Tag in Rom zu sein. Ich hatte auf sehr guter Straße nur fünfzehn Poststrecken zurückzulegen.
Bald darauf, in Florenz, entführte Casanova die Corticelli in einem Mietwagen der Post in Richtung Bologna und ließ seine Diener Leduc und Costa im Wagen "Pisa" nachkommen, die ihrerseits die Mutter Corticelli und ihren Sohn mitbringen sollten. In Monghidoro, der ersten Poststation jenseits der toskanischen Grenze, damals Scaricalasino genannt, traf man sich wieder.
(7/XII/309) Um vier Uhr morgens legten wir uns zu Bett, nachdem wir befohlen hatten, man solle uns wecken, sobald ein vierspänniger englischer Wagen ankomme.
Turin, Mai 1761:
(7/XIII/332) Nachdem ich mir einen Kreditbrief für Augsburg geholt hatte, brach ich auf und überquerte am nächsten Tag den Mont Cenis, das heißt ich, Costa, Leduc und mein Wagen. Drei Tage später mietete ich mich in Chambéry im einzigen Gasthof* ein, in dem alle Reisenden absteigen müssen.
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[* Vermutlich das Posthaus in der rue d'Italie, Faubourg Montmélian. Das Gebäude steht noch. Information von Helmut Watzlawick.]


C 7   Die Kutsche "Aachen"
 Von Casanova genannt: voiture à quatre places.
"Berline de campagne à cul de singe". Hohe Vorderräder - wenn hier auch etwas übertrieben - waren fürs Reisen viel geeigneter als die üblichen kleinen der Berlinen. - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
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Hersteller: N.N.
Typ: vermutlich eine viersitzige Berline wie die andere in Aachen gekaufte.
Vorbesitzer: N.N., in Aachen.
Kaufpreis: unbekannt.
Strecke: Zunächst mit der Corticelli, ihrer Mutter und den zwei Zofen der Mme d'Urfé: Aachen - Luxemburg - Soultzbach - Basel - Besancon. Dann mit Casanova: 155 km; Besancon - Col de la Givrine - Genf.
Zeit: Juli 1762.
Nachbesitzer: Der Verkäufer von "Genf 2", der sie in Zahlung genommen hatte, in Genf.
Abreise von Aachen in zwei Kutschen:
(8/III/76f.) Am dritten Tag versah ich Mutter und Tochter [Mimi] mit Reisekleidern, und wir reisten in einer eleganten und bequemen Berline, die ich mir verschafft hatte, in fröhlicher Stimmung von Aachen ab. (...).
Im Augenblick der Abfahrt verwies ich die Corticelli in einen viersitzigen Wagen ["Aachen"], in dem sie mit ihrer Mutter und den zwei Zofen [von Mme d'Urfé] fahren sollte. Bei dieser Aussicht erzitterte sie; ihr Stolz war verletzt, und ich glaubte einen Augenblick lang, sie werde den Verstand verlieren. (...).
(...) Madame d'Urfé (...) zeigte sich sehr erfreut, als sie mich ihr gegenüber und den Schützling des mächtigen Selenis neben sich sitzen sah. Mimi verriet mir auf tausenderlei Weise, wie glücklich sie war, bei mir zu sein.
Abreise von Basel:
(8/IV/91) Am nächsten Morgen war alles bereit, und wir reisten ab, Madame d'Urfé und ich in der Berline, die Corticelli, ihre Mutter und die beiden Zofen im anderen Wagen. In Besancon verließ mich Madame d'Urfé mit ihren Dienstboten, und ich nahm am nächsten Tag mit Mutter und Tochter [im Wagen "Aachen"] den Weg nach Genf. Wie immer stieg ich im 'Hotel aux Balances' ab.

Fortsetzung: Casanovas Wagen 8. - 14. (Teil VII).

Copyright by Pablo Günther, Hergensweiler 2012.

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