DIE CASANOVA TOUR
von Pablo Günther
REISEWAGEN - (Teile III, V - VIII ) - Casanovas Wagen (1) - Liste von Casanovas Wagen - 1. Cesena - 2. Genf 1 - 3. Paris 1 - 4. Paris 2 - 5. Zürich - 6. Pisa - 7. Aachen - (Fortsetzung: Teil VII)
Casanova war meistens so wohlhabend, daß er sich eigene - wenn auch stets nur gebrauchte - Wagen leisten konnte. Zwischen 1749 und 1791 besass er 17 Reisewagen und (in Paris 1758-59) zwei Stadtwagen. Diesen Umstand in aller Ausführlichkeit einer Autobiographie entnehmen zu können ist absolut einzigartig - Casanova muss daher als der erste grosse Privatwagenfahrer der Geschichte, von dem wir alle Einzelheiten kennen, bezeichnet werden. Und somit wäre der weltbekannte Schürzenjäger auch der Ahnherr von uns Autofahrern... Jedenfalls liebte er seine Wagen und genoss das Fahren damit, sogar das "Schnellfahren".Die Lister Chaise (Foto: PG)
Liste von Casanovas Wagen:Nr. Name* ..... Jahr ... Räder/Sitze ...... Typ ........................... Kilometer
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[* Entspricht der Stadt, wo die Kutschen - alle gebraucht - gekauft wurden.]I. Reisewagen von 1749 bis 1772:
7 Coupés, 4 Chaises de Poste, 1 offener Wagen, 1 Berline (?), 1 Schlafwagen.
Die Englischen Coupés (post chariots): 36,6 % oder 8.160 km von 22.265 km insgesamt.
C 1 Cesena ....... 1749 ... 4/2 ..... Englisches Coupé ......................... 985
C 2 Genf 1 ....... 1750 ... 4/2 ..... Englisches Coupé ......................... 755
C 3 Paris 1 ....... 1757 ... 2/1 ..... Chaise de Poste .......................... 1,505
C 4 Paris 2 ....... 1759 ... 2/1 ..... Chaise de Poste .......................... 1,120
C 5 Zürich ........ 1760 ... 4/4 ..... Offener Wagen ........................... 1,800
C 6 Pisa ........... 1760 ... 4/2 ...... Englisches Coupé ..................... 4,340
C 7 Aachen ...... 1762 ... 4/4 ...... Geschl. Wagen (Berline?) .............. 155
C 8 Genf 2 ....... 1762 ... 4/2 ..... Englisches Coupé ...................... 2,080
C 9 Lyon .......... 1763 ... 2/1 ..... Chaise de Poste, "Solitaire" ......... 1,215
C 10 Wesel ........ 1764 ... 4/2 ..... Coupé ......................................... 610
C 11 Riga ........... 1764 ... 4/2 ..... Schlafwagen .............................. 3,250
C 12 Warschau ... 1766 ... 4/2 ..... Coupé ...................................... 2,835
C 13 Paris 3 ....... 1767 ... 2/1 ..... Chaise de Poste ............................ 755
C 14 Salerno ...... 1770 ... 4/2 ..... Coupé ......................................... 860
.................................................................................................................Summe: 22,265
II. Zwei Stadtwagen in Paris: 1758 - 1759. Nicht genau bestimmbar; daher
keine Aufnahme in die nummerierte Liste.
III. Reisewagen ab 1773:
C 15 Innsbruck .. 1783 .. 4/2 ..... Reisechaise, "sedia da posta" .......... 560
C 16 Paris 4 ...... 1783 .. 4/4 ..... Reisewagen, "carrozza" ............... 1,360
C 17 Dux .......... 1786 .. 4/2 ..... Reisewagen, "voiture" ................. 2,950
C 1 Das Englische Coupé "Cesena"I. Seine Reisewagen von 1749 bis 1772.
Dieses Post Chariot entspricht höchstwahrscheinlich Casanovas voiture anglaise. Es ist ein konvertibles Coupé, ein sogenanntes Landaulet, bei dem der obere Teil des Wagenkastens umgelegt und vermutlich auch abgenommen werden konnte. - Wagenkatalog von A. Webley, London, 1763. Foto: PG.
Konvertibles Coupé (Post Chaise), das Dach zurückgelegt, die Tür- und Frontfenster heruntergelassen, der Rahmen der Frontscheiben nach vorne geklappt. - A. Webley, London 1763. Foto: PG.
Was Casanova im Zusammenhang mit seinen Reisewagen erzählt:In chronologischer Reihenfolge. Kursiv- und Fettdruck, Bemerkungen / Übersetzungen
In Cesena, einer Stadt zwischen Bologna und Rimini (Foto unten), trifft Casanova mit Henriette zusammen:(GmL. Bd. 3 / Kapitel II / Seite 50 ff.) Ihre Eroberung schien mir nicht schwierig, und ich sann auf Mittel, die ich dafür einsetzen konnte.(...).
Cesena, Piazza del Popolo. Rechts sieht man den Schatten des Rathauses. Das Gebäude über dem Brunnen war das Gasthaus zur Post (Ecke Via Zeffirino), wo Casanova wohnte und Henriette traf. - Foto: Tab Cart, Forli.
Einige Monate später begleitet Casanova Henriette von Parma nach Genf :(3/V/108ff.) Bei Einbruch der Dunkelheit fuhren wir von Parma ab und unterbrachen unsere Reise in Turin nur für zwei Stunden, um einen Diener zu nehmen, der uns bis Genf behilflich sein sollte. Tags darauf gelangten wir in Trägersänften auf den Mont Cenis und auf Schlitten hinunter nach Lanslebourg*. Am fünften Tag erreichten wir Genf, wo wir im Hotel "A la Balance" abstiegen.(...).
Hier eine englische Post Chaise, ohne Kutscherbock, mit vier Stahlfedern. Zeichnung von Paul Sandby, 1763. - Foto: Windsor Castle, Royal library.
Henriette fort, Casanova allein in Genf :(3/V/110) Am folgenden Tag reiste ich mit einem Diener, den Monsieur Tronchin mir verschafft hatte, nach Italien ab. Trotz der schlechten Jahreszeit nahm ich den Weg über den [Großen] Sankt Bernhard und überquerte ihn in drei Tagen mit sieben Maultieren, die wir für uns, meinen Koffer und den Wagen brauchten, der für meine Geliebte [Henriette] bestimmt gewesen war.
Wieder in Parma:(112) Ich schloß die Tür auf und legte mich wieder ins Bett. "Ein Fremder," teilte er [de la Haye] mir mit, "der einen Wagen braucht, möchte den Ihren kaufen."
"Chaise de Poste à L'Écrevisse". - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
Reise von Paris nach Amsterdam im Oktober 1758:(5/VI/157) Zwei Stunden vor meiner Ankunft in Amsterdam begegnete ich mit meiner zweirädrigen Chaise de Poste, auf der hinten mein Diener saß, einer vierrädrigen Kalesche, die gleich der meinen mit zwei Pferden bespannt war, und in der sich ein Herr mit seinem Diener befand. Der Kutscher des vierrädrigen Wagens verlangte, daß der meine ihm Platz mache; der meine erwiderte, daß er mich dann in den Graben kippen würde, aber der andere gab nicht nach. Ich wandte mich an den Besitzer, einen hübschen jungen Mann, und ersuchte ihn, er möge befehlen, mir Platz zu machen.
"Chaise de Poste à Cul de Singe". - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
Abreise von Paris nach Amsterdam im September 1759:(5/XI/296f.) Ich verkaufte meine Pferde, meine Wagen und alle Möbel (...).
Abreise von Amsterdam nach Deutschland im Februar 1760; Straßenräuber vor Köln:(6/II/49f.) So reiste ich also in meiner Chaise de Poste ab, die ich aus Moerdijk nachkommen ließ (...). Den Schweizer Lakaien, mit dem ich gekommen war, schickte ich nach Paris zurück und nahm nur Leduc auf dem Rücksitz mit. (...).
Dieser offene viersitzige Reisewagen schmückt eine österreichische Post-Karte aus dem Jahre 1782. - Foto: PG.
In Zürich gab es nur offene Kutschen:(6/IV/105f.) [Casanova zu Leduc:] "Sage dem Wirt, ich möchte einen Wagen, der mir für zwei Wochen jeden Tag zur Verfügung steht, außerdem einen guten Lohndiener."
In Grenoble:(7/III/85) (...) kam der Hausmeister herauf, um mir mitzuteilen, es wäre für mich günstiger, auf dem Wasserwege mit einem bequemen Boot, auf dem ich auch meinen Wagen unterbringen könnte, nach Avignon zu reisen; das sei auch viel billiger. (...).
In Antibes:(7/IV/135) In dieser Stadt mietete ich eine Feluke nach Genua, und da ich die Absicht hatte, auf dem gleichen Wege wieder nach Frankreich zurückzukehren, ließ ich meinen Wagen in einem Schuppen einstellen, für den ich schriftlich eine monatliche Miete von sechs Francs [60 d.] vereinbarte."
Die "Lister Chaise" des Shibden Hall Museums in Halifax / England. Gebaut um 1755. Dieser Typ (Post Chaise), aber mit einem Kutscherbock (dann Post Chariot genannt), entspricht weitgehend Casanovas Englischen Coupés. - Foto: Rosalind Westwood, Shibden Hall Museum.
Kauf eines weiteren Englischen Coupés:(7/VII/189) Am nächsten Tag fuhr ich vor dem Mittagessen nach Pisa in den Gasthof 'Zum Husaren' und blieb dort zwei Tage. Von einem Engländer kaufte ich einen sehr hübschen zweisitzigen Wagen, der außerdem noch einen Klappsitz für zwei Personen hatte. Dieser Engländer führte mich auch bei der berühmten Dichterin Corilla ein, die ich gern kennenlernen wollte.
Abreise von Rom im Dezember 1760:(7/IX/253) Nach einem guten Frühstück und einem zärtlichen Abschied von meinem Bruder [Giovanni] reiste ich am nächsten Tag in meinem schönen Wagen ab, zusammen mit Abate Alfani. [Mein Diener] Leduc ritt uns voraus. Ich kam zu einem Zeitpunkt nach Neapel, als in der ganzen Stadt Aufregung herrschte, weil der Verderben bringende Vulkan mit einem Ausbruch drohte. Bei der letzten Station [Aversa] ließ mich der Postmeister das Testament seines Vaters lesen.
Der große "Raubüberfall" auf der Poststraße von Neapel nach Rom im Januar 1761:(7/X/283ff.) Nachdem ich die Dienerschaft des Herzogs großzügig entlohnt hatte, reiste ich ab, wie ich angekommen war. Der Edelmann begleitete mich noch bis zum Schlag meines Wagens; drei oder vier Jahre später ist er gestorben.
Bald darauf, in Florenz, entführte Casanova die Corticelli in einem Mietwagen der Post in Richtung Bologna und ließ seine Diener Leduc und Costa im Wagen "Pisa" nachkommen, die ihrerseits die Mutter Corticelli und ihren Sohn mitbringen sollten. In Monghidoro, der ersten Poststation jenseits der toskanischen Grenze, damals Scaricalasino genannt, traf man sich wieder.(7/XII/309) Um vier Uhr morgens legten wir uns zu Bett, nachdem wir befohlen hatten, man solle uns wecken, sobald ein vierspänniger englischer Wagen ankomme.
Turin, Mai 1761:(7/XIII/332) Nachdem ich mir einen Kreditbrief für Augsburg geholt hatte, brach ich auf und überquerte am nächsten Tag den Mont Cenis, das heißt ich, Costa, Leduc und mein Wagen. Drei Tage später mietete ich mich in Chambéry im einzigen Gasthof* ein, in dem alle Reisenden absteigen müssen.
"Berline de campagne à cul de singe". Hohe Vorderräder - wenn hier auch etwas übertrieben - waren fürs Reisen viel geeigneter als die üblichen kleinen der Berlinen. - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
Abreise von Aachen in zwei Kutschen:(8/III/76f.) Am dritten Tag versah ich Mutter und Tochter [Mimi] mit Reisekleidern, und wir reisten in einer eleganten und bequemen Berline, die ich mir verschafft hatte, in fröhlicher Stimmung von Aachen ab. (...).
Abreise von Basel:(8/IV/91) Am nächsten Morgen war alles bereit, und wir reisten ab, Madame d'Urfé und ich in der Berline, die Corticelli, ihre Mutter und die beiden Zofen im anderen Wagen. In Besancon verließ mich Madame d'Urfé mit ihren Dienstboten, und ich nahm am nächsten Tag mit Mutter und Tochter [im Wagen "Aachen"] den Weg nach Genf. Wie immer stieg ich im 'Hotel aux Balances' ab.