Die Märchensammlung der Brüder Grimm habe
ich im Laufe der Zeit nicht nur oft mit Freude gelesen, sondern mir
fiel dann einmal auf, daß sie aus drei recht unterschiedlichen
Gruppen bestehen:
1. Schwankmärchen (Beispiel: Rotkäppchen): 85
Märchen,
2. Königskinderhochzeitsmärchen
(Beispiel: Schneewittchen): 70,
3. Belehrungsmärchen (Beispiel: Hans im Glück): 40,
wobei mich die zweite Gruppe immer am meisten angezogen hat, weshalb
ich hier versuchen möchte,
ihre besondere Wirkung zu erklären.
Auch wollte ich wissen, wie häufig bestimmte, mich faszinierende,
erzählerische Mittel eingesetzt wurden:
Tiere: in
73 Märchen - Metamorphosen:
40 - Wald: 38 - Hexe,
Stiefmutter: 35 - christliche Elemente: 16 - Jäger:
10 - Brunnen: 7 -
Teufel: 7 - Riesen: 7 - Zwerge: 6 - Räuber: 2 - Drachen: 2.
Während Sinn und Bedeutung der Schwank- und
Belehrungsmärchen keine Rätsel aufgeben, verhält es
sich mit den von mir so genannten "Königskinderhochzeitsmärchen" vielleicht
anders. Es stellt sich
nämlich die Frage, warum ein und derselbe, ein Drittel aller Märchen
betreffende, Handlungsablauf immer
und immer wieder mit einem so ungeheuren Aufwand an Phantasie neu
erdacht, und so weit verbreitet werden konnte
- der erste Zeichentrickfilm in Farbe war Disneys "Snow White and the
Seven Dwarfs" (Bild oben), und zugleich der erfolgreichste.
Der Handlungsablauf der
Königskinderhochzeitsmärchen geht
so vonstatten: Eines oder mehrere Kinder aus armer bis königlicher
Familie
müssen aus verschiedenen Gründen (Hexe, böse Stiefmutter) in die Welt
(Wald) hinaus gehen.
Dort erwarten sie mannigfaltige Gefahren und Prüfungen (Hexen,
Drachen), aber auch
die große Liebe. Nach Überwindung aller Schwierigkeiten
(Metamorphosen) kehren sie als Prinzen und Prinzessinen heim und
feiern im Königsschloß Hochzeit.
Es geht also um junge Menschen auf der Schwelle
zwischen Kindheit und der Welt der Erwachsenen, um die Pubertät.
Ähnliche Herausforderungen und Verwandlungen, etwa bei der
Erlernung eines neuen Berufes, bei dem Umzug in eine neue Gegend,
sowie
die Hoffnung auf und das Streben nach Glück, begleiten uns ein
Leben lang. Schwierigkeiten müssen überwunden werden. So hat
es, zum Beispiel, wer gemobbt oder gestalkt wird, mit einem "Drachen"
zu tun.
Die Brüder Grimm nannten ihre Sammlung
"Kinder-
und Hausmärchen", also Märchen
für die ganze Familie, für alle Generationen. Wenn die
Erwachsenen den Kindern diese Märchen
erzählen, wird wohl die Aufforderung
zu Mut, Tatkraft und
Selbstvertrauen - Sinn und Zweck dieser Märchen - auch bei
ihnen wieder aufgefrischt, und auch sie freuen
sich dann von Herzen über das Happy End aller dieser
Hochzeitsmärchen.
Bei den Filmen über
Superman, Spider Man, Ladybug & Cat Noir etc. etc. geht es wie bei den
Grimm'schen
Hochzeitsmärchen wieder um die Liebe zwischen zwei jungen Leuten
und ihre Verwandlungen.
Die meisten Spielfilme folgen dem gleichen
Muster; Filme wie James Bond und Indiana Jones sind eigentlich
lustige,
ironische Kinderfilme; die deutschen Heimatfilme der 1950er Jahre
wahren zumeist gut gemachte zeitgenössische Märchen - die Leute
verstehen das
heute nicht mehr und verachten sie leider.